Susanne Siokola-Tomandl: "Ich passe jetzt gerne nirgendwo rein."

Sagt euch „aktive Regeneration“ etwas? Spitzensportler:innen investieren als sogenannte „High Performer“ sehr viel Zeit, Energie und Geld darein, mit gutem Grund. „Normale“ Menschen leisten sich Regeneration oft erst, wenn sie kurz vor oder bereits in der totalen Erschöpfung sind. Das möchte ich ändern – als berufstätige Frau mit 55 gehöre ich immerhin zu einer Zielgruppe, die man getrost als „High Performer“ bezeichnen kann – auch wenn sie sie (leider) nicht so wahrgenommen wird.  

Von der Managerin zur Therapeutin 

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Im ersten Karriereweg war ich als HR-Managerin und Unternehmensberaterin in In- und Ausland tätig, dann folgte die Ausbildung zur Yogalehrerin im Jahr 2000 – damals wurde sowas in Österreich noch quasi als Sekte betrachtet –, danach die Ausbildung zur Shiatsu-Therapeutin. Dieser zweite Karriereweg führte mich schließlich unter anderem zur Gründung des komplementärmedizinischen Gesundheitszentrums Urban Health Concept: Wir betrachten Beschwerden, Schmerzen und Optimierungswünsche ganzheitlich, trachten bei multikausalen Beschwerdebildern danach, die Zusammenhänge zu erklären und pragmatische, sprich umsetzbare Strategien zu entwickeln.  

In den letzten Jahren mit Fokus auf Regeneration als Performance Faktor, ein weiterer Schwerpunkt ist die Regeneration des Nervensystems. Auf der körperlichen, mentalen und spirituellen Ebene, je nachdem, was passt. Und ich pflege noch ein anders Projekt, das mich sehr bereichert: Aus einer Spaß-Idee hat sich der „Generations Club“ entwickelt, ein Clubbing, bei dem Jung und Alt miteinander feiern. Ein sehr wichtiges Thema, oder? Generationen verbinden, gemeinsam eine gute Zeit haben, voneinander lernen. Das wird auch gesamtgesellschaftlich immer aktueller, vor allem wenn verschiedene Generationen miteinander arbeiten – mit teils sehr unterschiedlichen Werten. 

In den Wechseljahren gibt es keine „one fits all“- Lösung 

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Das Leben ist ein ständiger Wechsel, und ich versuche auch in großen und kleinen Umbrüchen meine Balance zu finden, was mal besser, mal weniger gut funktioniert. Ich bin eine sehr lösungs-und zukunftsorientierte Person, die grundsätzlich gut drauf ist, auch wenn nicht alles einwandfrei rennt. Mit dem Nachteil, dass ich oft über meine eigenen Gefühle drüber radiere. Probleme? Gibt?s nicht, traurig ist man nur kurz. Wenn man etwas nicht ändern kann, dann findet man eine Lösung. Kurz um: Meine größte Stärke ist manchmal auch die größte Schwäche.   

Der biologische Wechsel hat mich beruflich schon immer interessiert, weil ich viele Klientinnen mit entsprechenden Beschwerden habe – und genau auf diesem Terrain ist der ganzheitliche Ansatz oft hilfreich: Es gibt in den Wechseljahren keine „one fits all“-Schnelllösung. Es geht um die Frage, wie ich die Bereiche Bewegung, Ernährung und Supplementierung, Atmung und Meditation nutzen und kombinieren kann, um das gesamte System zu stärken. Ich persönlich bin da fast beschwerdefrei durch, ebenso wie durch die anderen Phasen des Frau-Seins. Hatte keine Regelbeschwerden, unkomplizierte Schwangerschaften, schnelle Geburten – meiner Kinder sind heute 21 und 23 Jahre alt. Wahrscheinlich, weil ich auch in diesen Belangen niemals Probleme oder Schwäche zugelassen habe. Wie schon erwähnt: Meine größte Stärke ist manchmal auch die größte Schwäche.  

Phytohormone, Kakaobutter und Ehrlichkeit 

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Und klar: Mein Lifestyle, viel Bewegung, die bewusste Ernährung (Makronährstoffe haben großen Einfluss auf das Hormonsystem), Supplementierung, regelmässige Meditation, viel Spaß und Tanzen – das alles hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass meine Wechseljahre relativ glimpflich verlaufen sind. Bei den ersten Hitzewallungen habe ich begonnen „Pueraria“ zu schlucken (ein Kraut/Phytoöstrogen), das schnell gewirkt hat, sowie Yams (Phytoprogesteron) und Maca (Hormonausgleich) – das empfehle ich auch gerne Klientinnen. Und ich verwende die Kakaobutter/Kräuterzäpfchen jetzt viel regelmäßiger, zur Pflege und gegen Trockenheit.  

Mit meinen Freundinnen spreche ich natürlich über das Älterwerden samt seinen Begleiterscheinungen. Wir sind heute generell viel offener als vor Jahren, als wir uns noch gegenseitig vorgeflunkert haben, wie superduper und großartig denn nicht alles ist. Denn eines muss ich zugeben: Es hat mich ziemlich geflasht, als es „amtlich“ wurde, dass ich nun nicht mehr schwanger werden kann – obwohl ich schon lange keinen weiteren Kinderwunsch verspürt habe. Gleichzeitig haben plötzlich viele Männer in meinem Alter viel jüngere Frauen, das ist schon ein neues, komisches Gefühl.  

Ich muss in keine Schablone mehr passen! 

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Heute fühle ich mich sehr fit und lebensfroh. Und ich befasse mich aktuell tiefer mit für mich wichtigen Themen: Was ist der Sinn, welche tief liegenden Muster blockieren mich, wo sind meine „blinden Flecken“, wo bin ich mir gegenüber nicht ehrlich, wie beeinflussen die patriarchischen Systeme uns Menschen und insbesondere uns Frauen, wo halten sie uns von unserer Kraft zurück. Und dann gibt es wiederum Momente, da denke ich mir: Hey, ich bin über 50 – mit diesem Mist habe ich eh nichts mehr zu tun.  

Ja, ich stehe nun mehr dazu, dass ich vielschichtig bin. Zwischen Mediation und auf den Tischen tanzen – und das ist völlig okay so. Ich habe eben unterschiedliche Seiten, aber nicht mehr das Gefühl, dass ich mich für eine entscheiden muss, um in ein Bild bzw. in eine gesellschaftlich definierte Schablone zu passen. Das ist sehr befreiend. Was mir auch auffiel: Im Gegensatz zu früher habe ich mit Frauen nun plötzlich ganz andere Gespräche. Ehrlich, tief und herzerwärmend. Vielleicht, weil es wichtig ist zu sehen, wie viele im gleichen Boot sitzen. Und glauben, dass es nur ihnen so geht, weil nach außen hin alles perfekt sein muss. Befreien können wir uns langfristig und nachhaltig gemeinsam viel besser. 

Sich neu erfinden – bis zum letzten Atemzug 

Was das Schöne am Älter werden ist? Wenn ich junge Frauen beobachte, bin ich sehr froh darüber, dass ich so manches bereits erledigt habe, die großen Entscheidungen bereits gefällt sind. Und ich bin sehr froh darüber, dass ich meine Jugend ohne Vergleich und Druck durch Social Media erleben durfte. Trotz aller Gelassenheit des Alters habe ich aber eines bereits festgestellt: Veränderungen passieren das ganze Leben lang. Ich gehe viel aus, habe mich beruflich in den letzten Jahren oft neu erfunden – dabei ich dachte immer, dass ich mit 50 mit meinem Ehemann irgendwo ruhig sitze und dass sich bis zum Ende nicht mehr viel tut – haha, weit gefehlt. Immer wieder kommt etwas Neues daher, manches auch ungewollt, ungeahnt – missen will ich aber nichts davon. Bis zum letzten Tag. Der Mensch, mit dem du immer gut auskommen musst, bist du selbst. Change it, leave it or accept it. 

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