Monika Fröschl: "Am Land sind die Wechseljahre noch Tabu"
Eine ungewöhnliche Vita zeichnet die 72-jährige Waldviertlerin aus. Erst in der Lebensmitte strampelte sie sich frei und will heute Frauen nach dem Wechsel unterstützen.

Mein Lebenslauf ist sehr atypisch, selbst für die heutige Zeit und auch für das österreichische Waldviertel, in dem ich groß geworden bin und wo ich heute nach 45 Jahren in Wien wieder lebe. Und so waren auch meine Wechseljahre anders als bei vielen Frauen in meiner Familie und im Bekanntenkreis. Ich bin in einer Zeit groß geworden, da wollte man den Frauen die Matura, also die Abiturprüfung, nicht antun, weil sie später sowieso bei den Kindern zu Hause blieben. Ich habe dennoch maturiert, weil mein Vater meinte soll sie es halt probieren. Und ja, ich wollte es probieren.
Keine Pille, frühe Schwangerschaft – ein Skandal!
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In den 1960er Jahren kam erstmals die Pille auf den Markt. Über Sexualität und Verhütung sprachen wir trotzdem nicht viel. Frauenarztbesuche gab es nicht, weil kein Arzt hier ordinierte. So kam ich über eine Freundin an die Pille, die eigentlich sie verschrieben bekommen hatte. Wir haben die Pille damals unter Freundinnen weitergeben, mit spärlichen Informationen dazu. So bin ich – was für eine Überraschung – schwanger geworden, mit Geburtstermin kurz vor der Matura 1971. Das war ein Skandal und beinahe hätte ich nicht antreten dürfen – kein gutes Vorbild. Damals wurden manche Mädchen deswegen noch von ihren Familien verstoßen. Nicht so bei mir – die Eltern unterstützten uns. Und selbst die strengste Lehrerin hat mich ermutigt – sie schätzte offensichtlich mein Engagement, meine Offenheit und mein Selbstbewusstsein. Wie geht's denn der maturierten Hausfrau? fragte mich mein ehemaliger Klassenvorstand Jahre später. Er meinte es nicht böse, so waren die Zeiten damals.
Leben ist Lernen: Späte (und schwangere) Studentin
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Es wurde geheiratet, und während meiner Ausbildung zur Europa-Sekretärin und dem Arbeiten schaute meine Mama auf unsere kleine Tochter, die dann mit 2,5 Jahren in den Kindergarten kam. Während meiner 2. Karenzzeit bekam ich Lust zu studieren, denn ich beneidete meinen Mann um den regen geistigen Austausch auf der Universität. Gesagt, getan, mit 31 Jahren begann ich das Studium der Ernährungswissenschaften und Philosophie/ Psychologie/ Pädagogik. Der Kontakt mit den zehn Jahre jüngeren Kolleg:innen beflügelte mich. Zeitig stand ich auf, um zu lernen, das tat ich gerne und mit Elan! Ich fragte immer um Hilfe, auch bei der Kinderbetreuung – und bekam sie auch. So bat ich auch einen Uni-Professor um einen extra Prüfungstermin, weil – ich war gerade mit der dritten Tochter schwanger – sich der offizielle Termin bis zu Geburt nicht ausgegangen wäre.
Die Wechseljahre: Alles vorbei, du bist nicht mehr reproduktiv
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Den Wechseljahren sah ich damals skeptisch entgegen. Immerhin galt: Mit 40 ist alles vorbei, du bist nicht mehr reproduktiv. Zudem waren die Wechseljahre bei den Frauen, die sehr selten etwas darüber verlautbaren ließen, eher ein Horror – meine Mama hat sehr darunter gelitten, meine Freundin musste sich nachts mehrmals umziehen, weil sie so stark schwitzte. Ich wollte für mich vorbeugen und recherchierte, wie man mit Ernährung die Wechseljahre gut durchlebt. TCM (traditionelle chinesische Medizin) fand ich hilfreich, da ich mit erhitzenden und abkühlenden Lebensmitteln Temperaturschwankungen gut ausgleichen konnte. Mehr pflanzenbasierte Ernährung, weniger Tierisches, doch sehr wichtig: immer biologisch! Von den schlimmen Beschwerden blieb ich selbst verschont. Dennoch: mir hat es leidgetan, keine Periode mehr zu haben.
Na endlich, Mama: Scheidung und Neustart
Was ich merkte: Um die 50 herum war ich war sehr erschöpft, ausgelaugt und müde. Das war auch der Zeitpunkt meiner Scheidung. Ich stimmte zu, da ich nicht mehr klein beigeben wollte. Heute bin ich dankbar für den Schritt, ich hätte wohl wie viele Frauen meiner Generation die Ehe ausgesessen. Dabei gab es schon lange keine Gemeinsamkeiten mehr und meine zunehmende Selbstständigkeit passte nicht in das alte Männerbild, wie wir in der Mediation herausfanden. Trotzdem war es mir unangenehm diese Entscheidung meinen damals bereits erwachsenen Kindern mitzuteilen. Ihre Meinung war allerdings einhellig: Na endlich, Mama. Das war eine Erleichterung für mich. So suchte ich neben dem Vollzeitjob in der Schule eine Wohnung und fand sie auch – im Grünen, wie ich es immer wollte und kaufte mein erstes (gebrauchtes) Auto.
Mit 62 habe ich mich dann selbstständig gemacht. Jetzt war die Zeit gekommen meine Ideen umzusetzen, fand ich. Seither halte wöchentlich Workshops und bin Expertin für Frauen nach den Wechseljahren. Diese Bevölkerungsgruppe darf aus dem Schattendasein treten, sie hat noch 1/3 ihres Lebens vor sich, die kraft- und lustvoll gelebt werden dürfen. Schwerelos – Ernährung und Fitness 50 nennt sich mein Angebot. Im Mittelpunkt stehen Vitalität und Energie, Stressprophylaxe und die Stärkung des Immunsystems – immer mit ganzheitlichem Blick auf Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit.
Am Land sind die Wechseljahre nach wie vor tabu
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Bewegung und Sport vernachlässigte ich selbst allerdings eine lange Zeit. Heute mit 72 bin ich fitter als je zuvor. In der Pension wollte ich unbedingt wieder Ballett machen, wie damals als kleines Mädchen. Kurzum: Ich habe mich in die Anfängerklasse eingeschrieben und dehnte mich bald regelmäßig mit den 18-jährigen Schülerinnen. Und die fanden es cool. Bewegung hält mich körperlich und geistig fit. Und als glücklicher Single entscheide ich, ob und was und wann ich etwas tue. Ob Unterstützung beim Lateinlernen, Kindersitten oder verreisen – meine Familie schätzt meine Selbstständigkeit und Offenheit. Mein Wissen gebe ich gerne an meine drei Töchter und sieben Enkelinnen, aber auch an meine interessierten Kursteilnehmerinnen weiter – es gibt immer was Neues zu lernen. Bewegung, Ernährung, Sinn und ein gutes soziales Miteinander sind die Grundpfeiler. Und: beharrlich seine Ziele verfolgen, es gibt immer einen Weg!
Eines noch: Auch wenn ich nicht mehr ganz in eure Zielgruppe falle: Trotz meines Alters bin ich regelmäßig auf Wechselweise.net unterwegs und finde es großartig, dass ihr das Thema gesellschaftsfähig macht. Am Land sind die Themen Wechseljahre und Altwerden nach wie vor ein großes Tabu. Doch auch Frauen abseits der urbanen Ballungszentren dürfen und sollen diese Zeit ohne Beschwerden genießen – das zu vermitteln, ist meine Berufung. Denn es ist nie zu spät, das zu tun, was Freude bereitet und Sinn stiftet.
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