Julia Dobnig: "Im Wechsel verändert sich das Stressempfinden enorm"
Ungeduld mit sich selbst: Dass auch sehr selbsterfahrene Frauen in den Wechseljahren ins Straucheln kommen können, lernte die Yogalehrerin knapp vor dem 50. Geburtstag.

In weniger als einem Monat bin ich 50. Und wo ich das schreibe, stelle ich fest - ich freue mich tatsächlich drauf. Es fühlt sich an wie der Start zu etwas Neuem, etwas Aufregendem und Großem. Und das ist selbst für mich jetzt sehr überraschend.
Yoga, Meditation und Persönlichkeitsentwicklung begleiten mich schon lange. Ich habe in den letzten 20 Jahren, seitdem ich die Architektur an den Nagel gehängt habe, unzählige Ausbildungen in diesem Bereich absolviert. Ich baute mein Yogastudio nahe Wien auf und integrierte nach und nach Seminare, Retreats sowie online-Kurse in mein Angebot. Meine drei Kinder sind mittlerweile im Teenageralter angekommen und damit aus dem sprichwörtlich Ärgsten heraus. Der Radius für die Retreats wurde mit ihrem der Kinder größer (und bringen mich heute bis in die Sahara), meine Angebote gewannen an Tiefe. Ich hatte viel Freude am Leben und war voller Energie.
Ungeduld, Gereiztheit, Erschöpfung – für mich schlimmer als Körperliches
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Bis sich etwas veränderte. Mein Stresslevel erhöhte sich dramatisch, meine Energie sank. Mein Schlaf wurde leicht, die Wachphasen in der Nacht lang. Meine Periode war schon einige Zeit nicht mehr regelmäßig, Hitzewallungen tauchten in den unpassendsten Momenten auf. Es ist nicht so, dass ich auf den Wechsel nicht vorbereitet gewesen wäre. Vor acht Jahren absolvierte ich die Ausbildung zur Hormonyoga-Lehrerin: Ich tauchte tief in das Thema ein, lernte die sehr hilfreiche Hormonyoga-Reihe kennen und lieben. Sie gibt uns Frauen ein wirkungsvolles Tool an die Hand, mit hormonellen Dysbalancen (nicht nur im Wechsel) umzugehen und wieder in Harmonie zu kommen.
Dennoch überraschte mich das heftige Stressempfinden. Ich mache doch Yoga, Meditation, Schattenarbeit – ich sollte mich eigentlich nicht so fühlen, warf ich mir selbst vor. Ich hatte das Gefühl etwas falsch zu machen, diese Ungeduld, Gereiztheit mit der Welt, aber auch mir selbst gegenüber zehrten an mir. Die zunehmende Müdigkeit und Erschöpfung waren für mich – mehr noch als die körperlichen Symptome – ebenso eine große Herausforderung.
Wertvolle Antworten zum Wechsel mit anderen Frauen teilen
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In dieser Zeit ergaben sich nach den Yoga-Stunden immer öfter Gespräche mit einer der Teilnehmerinnen. Irene Strolz-Taferner ist psychologische Beraterin und Coaching Expertin nach der Integralis-Methode. In unseren Gesprächen fanden wir viele Gemeinsamkeiten und Erkenntnissen zu den Wechseljahren. Andere Frauen beteiligten sich immer öfter an den Gesprächen, und schnell wurde offensichtlich, dass dieser so wichtige Austausch im Alltag viel zu selten stattfindet. In diversen Kursen zum Thema Frauengesundheit vertieften wir unser Wissen. Heute sind Irene und ich ein eingespieltes Team, wir bieten Retreats und Gruppenkurse für Frauen im Wechsel an und wollen den Prozess, in dem wir wertvolle Antworten für uns selbst gefunden haben, mit anderen Frauen teilen.
Lehrmeister und Herausforderung: Die Wechseljahre als Prozess
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Der Wechsel ist eine Zeit des Umbruchs, ein Übergang. Vieles verliert seine Gültigkeit. Unser Körper wird zum Seismografen, kleinste Erschütterungen führen zu großen Erdbeben. Wenn wir lernen, unserem Körper zuzuhören, bietet uns diese Zeit eine große Chance.
Früher habe ich oft gar nicht bemerkt, wenn ich selbst oder andere eine Grenze überschritten. Heute reagiert mein Körper sofort mit einer Hitzewallung. Wenn ich mir nicht Zeit für mich selbst nehme – am liebsten in Form von Meditation, Yoga oder Aufenthalt in der Natur – liege ich in der Nacht wach. Wenn ich mich auf eine Weise ernähre, die mich in dieser Phase nicht unterstützt, ist meine Energie ganz schnell verpufft. Wenn ich meine Bedürfnisse – wie so viele Jahre zuvor – hinter die anderer stelle, kippt meine Stimmung.
Der Wechsel fordert mich immer noch immer wieder heraus. Aber er ist auch mein größter Lehrmeister. Er verlangt mir einiges ab. Vor allem immer wieder die Entscheidung zu treffen, mich noch besser kennenzulernen. Meine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Ja, das ist manchmal anstrengend. Aber es ist auch eine Einladung, Entscheidungen, Gewohnheiten und Rollen neu zu denken. Über Bord zu werfen, was nicht mehr gilt und mir immer wieder die Frage zu stellen: Was ist jetzt denn dran? Was erwarte ich vom Leben? Wir können diesen Übergang nutzen, um uns neu auszurichten. Muster, die wir seit Jahrzehnten mit uns herumtragen, dürfen nun hinterfragt werden.
Mitten im Wandel: Da hilft nur der innere Perspektivenwechsel!
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Und so bin ich jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich dem Wechsel zutiefst dankbar bin. Die Hormonyoga-Praxis zeigt mir immer wieder, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen können. Auch die TCM (traditionelle chinesische Medizin) hat ein ganzheitliches Verständnis vom Wechsel und hilft mir sehr.
Doch den entscheidenden Unterschied machte für mich ein innerer Perspektivenwechsel: Das, was da passiert, ist nie gegen uns, sondern immer für uns. Um für mich zu sprechen: Dass ich aufgefordert werde, mich noch besser kennenzulernen, noch besser auf mich zu achten, mir selbst noch besser zuzuhören und meinen Blick zu schärfen für das, was mir wirklich wichtig ist in meinem Leben – das kann man als Geschenk bezeichnen. Und da bin ich nun: mitten im Wandel und freue mich auf meinen 50. Geburtstag!
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