Endlich eingeschlafen, doch mitten in der Nacht, gerne auch frühmorgens muss man auf die Toilette, einmal oder sogar mehrmals. Dieses unliebsame Wasserlassen heißt medizinisch Nykturie, und es betrifft besonders häufig Frauen in der Lebensmitte. Der sinkende Östrogenspiegel während der Wechseljahre wirkt sich nicht nur auf die Schleimhäute aus, sondern auch auf die Harnwege.
Die Blasen- und Harnröhrenschleimhaut besitzt viele Östrogenrezeptoren. Weniger Hormon bedeutet: weniger Schutz und veränderte Reizschwelle. Gleichzeitig wird der Beckenboden schwächer und das urogenitale Mikrobiom verändert sich – die Balance im gesamten Intim-Bereich gerät ins Wanken. Das Ergebnis: Die Blase reagiert empfindlicher, und Harndrang tritt häufiger auch nachts auf. Viele empfinden dies nicht nur als störend, sondern auch als einschränkend für die Lebensqualität, besonders wenn ein abermaliges Einschlafen nicht funktioniert. Man schleppt sich durch den Tag, reizbar, unkonzentriert, müde
Nächtlicher Harndrang in den Wechseljahren: Die Studienlage
Eine aktuelle Studie aus Südkorea (Park et al., 2024) mit mehr als 3.400 Frauen zeigt klar: Je weiter Frauen in den Wechseljahren fortgeschritten sind, desto häufiger tritt Nykturie auf. Besonders auffällig ist der Anstieg bei zwei oder mehr Toilettengängen pro Nacht. Diese Zunahme blieb auch dann bestehen, wenn andere Faktoren wie Alter oder Vorerkrankungen herausgerechnet wurden. Noch deutlicher wurde der Zusammenhang bei Frauen, die zusätzlich unter typischen Wechseljahresbeschwerden litten, wie etwa Schlafproblemen, Hitzewallungen oder einer insgesamt geringeren Lebensqualität.
Nykturie ist also nicht nur ein lästiges Altersphänomen, sondern eng mit den hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren verknüpft. Studien aus Europa und den USA kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Rund 25–30 % der Frauen in und nach den Wechseljahren berichten von Nykturie (mindestens einmal pro Nacht), bei 15–20 % ist der nächtliche Harndrang so ausgeprägt, dass er den Schlaf regelmäßig unterbricht.
Tipps gegen nächlichen Harndrang: Durchschlafen ohne Störung
Es gibt leider keine Patentlösung – aber eine Kombination kleiner Veränderungen kann viel bewirken:
Trinkrhythmus anpassen. Tagsüber ausreichend trinken, am Abend aber Flüssigkeitsmengen reduzieren, optimal zwei Stunden vor dem Zubettgehen stoppen. (Was sicherlich nicht immer möglich ist.)
Reizstoffe meiden. Kaffee, Alkohol und stark gewürzte Speisen können die Blase reizen. Hohe Salzaufnahme führt dazu, dass der Körper mehr Wasser bindet und später wieder ausscheidet. Gerade bei Frauen, die abends noch gerne Knabbereien oder Käse essen, kann das ein Auslöser für Nykturie sein.
Beckenbodentraining stärkt die Muskeln, verbessert die Blasenkontrolle und ist in den Wechseljahren ein wichtiges Tool.
Blasentraining. Nicht nur tagsüber, sondern auch abends vor dem Schlafengehen versuchen, die Intervalle zwischen Toilettengängen zu verlängern. So wird die Blase daran gewöhnt, größere Mengen zu halten.
Doppelt entleeren (Double Voiding). Vor dem Schlafengehen einmal ganz normal zur Toilette gehen – und nach ein paar Minuten noch ein zweites Mal versuchen, auch wenn der Harndrang nicht stark ist. So leert sich die Blase vollständiger, und es bleibt weniger Restharn zurück.
Kompressionsstrümpfe tagsüber. Klingt seltsam, hilft aber: Tagsüber lagert sich Flüssigkeit in den Beinen ein (Ödeme). Wenn man sich abends hinlegt, verteilt sich diese Flüssigkeit zurück in den Kreislauf – die Nieren produzieren mehr Urin. Kompressionsstrümpfe können das verhindern.
Abends die Beine hochlegen. Ähnlicher Effekt wie bei Kompressionsstrümpfen: Wer abends 20–30 Minuten mit hochgelegten Beinen oder auf einem Kissen liegt, regt die Rückführung von Flüssigkeit schon vor dem Schlafengehen an.
Pflanzliche Helfer. Kürbiskernextrakt wird in der Urologie bei Blasenproblemen öfters eingesetzt, da es die Blasenmuskulatur stabilisieren kann. Bärentraube (nur kurzfristig und nach ärztlicher Rücksprache) wirkt antibakteriell und kann bei Reizblase helfen. Melisse oder Baldrian entspannen und fördern guten Schlaf – wer weniger leicht aufwacht, spürt den Harndrang nachts schwächer.
Lichtmanagement. Wer nachts aufwacht und beim Gang zum Klo das Licht anmacht, wird oft komplett aus dem Schlaf gerissen. Ein schwaches, warmes Nachtlicht erleichtert den Rückweg ins Bett und vermindert den Eindruck, wirklich wach zu sein – das macht es leichter, wieder einzuschlafen.
Medizinische Abklärung. Hormonmangel, Blasenentzündungen, Diabetes oder Herzprobleme können Nykturie verstärken – daher immer ärztlich abklären lassen.
Hilft Hormontherapie gegen nächtlichen Harndrang?
Da die Schleimhäute von Blase, Harnröhre und Scheide stark von Östrogenen abhängen, kann eine gezielte Hormongabe die Beschwerden deutlich lindern: Frauen, die eine lokale Östrogentherapie (Cremes, Zäpfchen) anwenden, berichten deutlich seltener über nächtliches Wasserlassen und Inkontinenzprobleme.
Eine Studie aus den USA berichtet: Vaginale Östrogenbehandlung kann das Harnblasen-Mikrobiom so beeinflussen, dass gesündere Bakterienarten (vor allem Lactobacillus) wieder häufiger vorkommen. Diese Veränderung scheint zu einer spürbaren Verbesserung bei bestimmten Symptomen einer überaktiven Blase, insbesondere Dringlichkeit der Inkontinenz, beizutragen – schon nach etwa drei Monaten Therapie mit lokalem Östrogen.
Wichtig zu wissen: Nicht jede Frau braucht oder verträgt die Hormonersatztherapie. Ob eine hormonelle Behandlung sinnvoll ist, hängt von der individuellen Situation ab und sollte immer mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden.
Fazit
Nykturie in den Wechseljahren ist kein Schicksal, das man einfach hinnehmen muss. Mit Wissen über die Ursachen des nächtlichen Harndrangs, gezielten Alltagstipps und – falls nötig – medizinischer Unterstützung lässt sich der Schlaf oft deutlich verbessern. Das bedeutet mehr Energie am Tag und mehr Lebensqualität. Auf dass es am stillen Örtchen wieder tatsächlich ruhiger wird, vor allem nachts.
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