Stellt euch vor, du greifst eines Morgens nach dem BH und spürst beim Anziehen einen stechenden Schmerz in der Schulter. Anstatt zu verschwinden, wird der Schmerz mit der Zeit immer schlimmer, so dass du kreative und teils seltsame Wege finden musst, um mit dem BH umzugehen – oder eine Bluse anzuziehen, dir die Haare zu waschen und viele andere alltägliche Dinge zu erledigen. Stell dir vor, dass du bereits so viel Angst davor hast, deine Schulter zu bewegen, bis sie schließlich einfach feststeckt, als wäre sie eingefroren. Dann leidest du sehr wahrscheinlich unter einer Frozen Shoulder – und bist damit nicht allein.
Schultersteife: Vor allem Frauen zwischen 40 und 60 sind betroffen
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Typische Schmerzbeschreibungen der Frozen Shoulder reichen von dumpf, tief innen liegend bis zu scharf bei bestimmten Bewegungen, manchmal ausstrahlend in den Oberarm oder bis in den Ellenbogen. Bei Kälte oder bei Überlastung wird der Schmerz schlimmer. Eine Schultersteife, in der Medizin auch als adhäsive Kapsulitis bezeichnet, zu beschreiben, ist nicht immer einfach. Immerhin: Es gibt üblicherweise keine spezifische Verletzung, die sie verursacht und trotzdem ist sie weit verbreitet – vor allem bei Frauen zwischen 40 und 60, also just in der Phase der Wechseljahre. Es kann Monate bis Jahre dauern, bis sie endlich verschwindet.
Der sinkende Östrogenspiegel kann Entzündungen begünstigen
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Was passiert im Körper? Eine Frozen Shoulder wird durch Probleme in der Gelenkkapsel verursacht, erklärt die Midlife-Fitness-Expertin Béatrice Drach: Die Schultergelenkkapsel ist im Grunde eine Tasche aus starken Bändern und schmierender Gelenkflüssigkeit, die den Oberarmknochen in der Schulterpfanne verankert und stabilisiert. Bei Erkrankung entzündet und verdickt sich diese Kapsel zunächst, was zu Steifheit und Schmerzen führt. Im Laufe der Zeit können sich Bänder aus Narbengewebe bilden, die wie kleine Spinnweben aussehen und die Gelenkflüssigkeit trocknet aus.
Etwa 5 % der Bevölkerung erkranken an einer Schultersteife, Frauen sind bis zu viermal häufiger betroffen als Männer. Dazu tragen Menschen mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Schilddrüsenstörungen ein erhöhtes Risiko. Viele Mediziner:innen vermuten, dass die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren zumindest ein Teil der Erklärung sind. Wir haben Östrogenrezeptoren in unseren Gelenken und Östrogen hat entzündungshemmende Wirkung, sagt Drach: Veränderungen des Östrogenspiegels können zu einer Zunahme der Entzündung beitragen, die die Ursache für die Schultersteife ist.
4 typische Hintergründe der Schultersteife:
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- Hormonelle Veränderungen: In den Wechseljahren sinken die Östrogen- und Progesteronspiegel stark ab. Östrogen hat unter anderem eine schützende Wirkung auf Bindegewebe und Gelenke. Bei einem Mangel kann es zu Veränderungen in der Struktur und Elastizität von Kapseln und Sehnen kommen.
- Veränderte Entzündungsreaktionen: Der Hormonmangel kann auch das Immunsystem und die Entzündungsneigung beeinflussen. Das Schultergelenk reagiert möglicherweise sensibler auf Belastungen oder Mikroverletzungen, was eine chronische Entzündung begünstigen kann – ein möglicher Auslöser für die adhäsive Kapsulitis.
- Psychosomatische Faktoren: In den Wechseljahren treten häufig psychische und emotionale Belastungen auf (z.?B. Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen). Stress ist ein bekannter Risikofaktor für chronische Schmerzsyndrome, auch im muskuloskelettalen Bereich.
- Bewegungsmangel und Fehlhaltungen: Durch Schlafprobleme, depressive Verstimmungen oder Schmerzen in anderen Gelenken kann es zu reduzierter körperlicher Aktivität kommen. Eingeschränkte Bewegung kann die Entstehung einer Frozen Shoulder begünstigen oder verschlimmern.
Wieder beweglich: Die Behandlung einer Frozen Shoulder
Der beste Zeitpunkt für eine Behandlung ist, bevor die Schulter völlig eingefroren ist – also dann, wenn sich die Schmerzen nach etwa einem Monat nicht bessern oder die Bewegungsfähigkeit merklich abnimmt.
- Orthopäd:innen diagnostizieren die Schultersteife in der Regel anhand der Symptome und einer körperlichen Untersuchung.
- Ein Röntgenbild dient häufig dazu, um Probleme wie Arthritis auszuschließen.
Glücklicherweise benötigen die meisten Betroffenen nur Low-Tech-Behandlungen: Entzündungshemmer und Physiotherapie, die Übungen zur Dehnung und Mobilisierung der Schulter umfasst, sind die üblichen Mittel. Ganz wichtig: Sanfte Bewegung vermeidet eine komplette Versteifung.
Wenn die Schmerzen sich nicht wegtrainieren lassen:
- Eine Kortisoninjektion in die Schulter kann helfen, die Entzündung abklingen zu lassen.
- Eine Hydrodilatation, bei der steriles Wasser oder Kochsalzlösung in die Gelenkkapsel injiziert wird, hilft, etwas Platz in der verengten Kapsel zu schaffen.
Wichtig ist der ganzheitliche Blick: Schulterprobleme und Hormone müssen gerade im Wechsel zusammen betrachtet werden. Wenn starke Beschwerden bestehen, kann eine Hormonersatztherapie mit bioidentischen Östrogenen helfen, die auch einen positiven Effekt auf Bindegewebe und Gelenke hat.
Wie lässt sich der Frozen Shoulder vorbeugen?
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Drach: Mit zunehmendem Alter werden wir unbeweglicher, und auch die Gelenke brauchen morgens länger, um in Schwung zu kommen. Deshalb ist es wichtig, sich regelmäßig Zeit für sanfte Mobilisationsübungen zu nehmen – am besten gleich in der Früh, nach dem Aufstehen. Sie kosten kaum Zeit, bewirken aber viel. Ein einfaches Beispiel: die Wandkrabbel-Übung. Dabei stellt man sich mit dem Gesicht zur Wand, etwa eine Armlänge entfernt. Dann setzt man die Fingerspitzen auf die Wand und krabbelt mit ihnen langsam nach oben – so weit, wie es angenehm ist. Anschließend lässt man die Finger wieder nach unten wandern. Diese Übung fördert die Schulterbeweglichkeit, regt die Gelenkschmiere an und kann auch bei ersten Bewegungseinschränkungen gut durchgeführt werden.
Krafttraining gegen Frozen Shoulder
Krafttraining mit Gewichten ist besonders wichtig, um muskuloskelettalen Erkrankungen vorzubeugen – das betont auch die renommierte US-Orthopädin Dr. Vonda Wright. Dabei sollte man das Gewicht langsam steigern, um trotzdem Muskelzuwachs zu erreichen. Es regt die Vermehrung sogenannter Satellitenzellen an – das sind Muskel-Stammzellen, die für Wachstum und Reparatur wichtig sind – und verbessert die Ansteuerung durch die Nerven, sodass mehr Muskelfasern aktiviert werden.
Stretching gegen Frozen Schoulder
Eine der ersten Bewegungen, die im Alter oder bei Schulterproblemen verloren geht, ist die sogenannte Innenrotation, erklärt Dr. Wright. Dabei fällt es schwer, den Arm hinter den Rücken zu führen. Eine einfache Übung dagegen: Man nimmt ein Handtuch oder ein Trainingsband, greift es mit einer Hand von oben über die Schulter und mit der anderen Hand von unten hinter dem Rücken. Dann zieht man ganz vorsichtig mit der oberen Hand nach oben – so wird die Beweglichkeit der Schulter sanft gefördert.
Mobilisierung vor sportlichem Training
Gerade für Frauen in der Lebensmitte ist es wichtig, sich vor dem Krafttraining ausreichend Zeit zum Mobilisieren der Gelenke zu nehmen, um beim nachfolgenden Training Verletzungen oder einer Überbelastung vorzubeugen. Man kann etwa eine Klimmzugstange zu nutzen, um die die Beweglichkeit zu erhalten. Dazu die Stange fassen und sich vorsichtig hängen lassen, diese Übung dehnt den gesamten hinteren Teil der Schulter.
Die gute Nachricht zum Schluss: Etwas Geduld ist zwar notwendig – der Verlauf dauert oft ein bis zwei Jahre –, die lästige Schultersteife ist aber meist vollständig rückbildungsfähig.
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