In Deutschland sind es über 20 Millionen, und auch in Österreich hat ungefähr jeder vierte Mensch einen zu hohen Blutdruck (Hypertonie). Zu viel Salz, zu viel Stress, Nikotin, Übergewicht und zu wenig Bewegung sind häufig die Übeltäter. Aber auch das Alter, familiäre Veranlagung, ein Mangel an Magnesium und an Vitamin D und hormonelle Umstellungen wie die Wechseljahre können dahinterstecken. Meistens unbemerkt (der Körper zeigt keine eindeutigen Warnsignale) bringt er ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, Herzmuskelschwäche und Demenz. Orientierung bietet der Kardiologe und Bluthochdruck-Experte Professor Thomas Mengden in seinem aktuellen neuen Ratgeber Expertenwissen: Bluthochdruck (TRIAS Verlag, Stuttgart 2025).
Frauenherzen schlagen anders als Männerherzen – deshalb widmet er den gendermedizinischen Aspekten ein ganzes Kapitel: Frauen vor den Wechseljahren erkranken weniger häufig an Bluthochdruck als Männer. Hierbei spielt der Einfluss der Geschlechtshormone auf den Natrium- und Wasserhaushalt sowie auf den Gefäßwiderstand eine große Rolle. Die weiblichen Geschlechtshormone haben darüber hinaus eine Schutzfunktion für das Endothel (Anmerkung der Redaktion: eine dünne Schicht aus Zellen, die das Innere von Blutgefäßen auskleidet) sowie die arterielle Gefäßsteifigkeit, schreibt er und weist darauf hin, dass sich in den Wechseljahren eine Hypertonie erstmalig manifestieren oder sich ein bestehender Bluthochdruck verschlechtern kann. Spätestens in der Post-Menopause dann ist die Häufigkeit von Bluthochdruck bei Frauen deutlich höher als bei Männern, darüber hinaus haben sie im Vergleich ein deutlich höheres Risiko, an den Folgen einer Herzerkrankung zu sterben.
"Little old ladies' heart syndrome"
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Dazu kommt: Bei Frauen sind die Auswirkungen des hohen Blutdrucks auf das Herz andere als bei Männern. So entwickelt sich häufiger eine so genannte diastolische Herzinsuffizienz, eine spezielle Form der Herzmuskelschwäche, die mit Kurzatmigkeit verbunden ist. Das Phänomen trägt einen wenig schmeichelhaften Namen: Little old ladies' heart syndrome. Was steckt dahinter? In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass ein großer Teil der Frauen, die mit einer Herzinsuffizienz ins Krankenhaus kommen, kein vergrößertes Herz haben Sie leiden, weil ihre Herzkammern steif werden und sich zwischen den Schlägen nicht mehr entspannen.
Im Wechsel regelmäßig den Blutdruck kontrollieren
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Der Rat des Kardiologen: Während der Wechseljahre sind regelmäßige Blutdruckkontrollen von Nöten. Insbesondere Frauen, die früher immer einen normalen Blutdruck hatten, sollten in dieser Phase beobachten, ob es zu Blutdruckanstiegen aufgrund der hormonellen Veränderungen kommt. Und er betont: Tritt bei älteren Frauen schließlich Kurzatmigkeit auf, sollte dies dringend abgeklärt werden.
Warum mehr Frauen von dieser Erkrankung betroffen sind, ist übrigens noch nicht bekannt. Vermutend wird, dass auch hier die Wechseljahre eine Rolle spielen könnten, da sie einen Rückgang des Östrogens auslösen, das zum Schutz des Herzens beiträgt. Warum befinden wir uns noch im Reich der Vermutungen? Richtig geraten: Wie Bluthochdruck entsteht und wie er am besten behandelt werden kann, ist bei Frauen deutlich weniger erforscht als bei Männern. Dazu kommt, das sie bislang unzureichend oder überhaupt nicht in klinische Studien einbezogen wurden.
Hormonersatz-Therapie: Hilft sie Frauenherzen?
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Dabei kann fundiertes Wissen über geschlechtsspezifische Unterschiede Leben retten, gerade wenn es um notwendige Therapie-Möglichkeiten geht. Eine davon könnte die Hormonersatz-Therapie (HET) sein, so Gynäkologie und Endokrinologie Johannes Ott: Die Studienlage ist noch äußerst schwammig, der Verdacht liegt aber nahe, dass sich eine Östrogen-Gabe positiv auf das Gefäßsystem und protektiv auf die Gefäßwende auswirkt. Allerdings kommt es auch hier auf den richtigen Zeitpunkt an: Für die Einnahme der Hormonersatz-Therapie existiert ein therapeutisches Fenster, das berühmte Window of Opportunity. Demnach ist es von Vorteil, wenn frühzeitig, also zum Zeitpunkt der einsetzenden Wechseljahre, damit begonnen wird – dann können bioidente Hormone auch einen positiven Effekt auf das kardiovaskuläre System haben.
Hormonersatz-Therapie und Herzgesundheit: Work in Progress
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Die US-amerikanischen Nurses Health Study bestätigt das: Sie berichtet, dass Frauen, die eine Hormonersatz-Therapie spätestens innerhalb von vier Jahren nach Beginn der Wechseljahre nutzten, bei alleiniger Östrogen-Anwendung ein um 34 Prozent vermindertes Koronarrisiko aufwiesen. Bei kombinierter Östrogen-Gestagen-Anwendung war die Risikoreduktion ähnlich hoch. Die Voraussetzung auch hier: ein früher bzw. rechtzeitiger Beginn. Bei Frauen über 60 bestand der schützende Effekt durch die HET nicht mehr.
Klare Aussagen, ob eine Hormonersatztherapie das Frauenherz tatsächlich schützt, könne man allerdings noch nicht treffen, so Ott: Das ist eindeutig 'Work in Progress'. Viele Studienergebnisse widersprechen sich, wir brauchen eindeutige, bessere Daten. Weitere klinische Forschung ist erforderlich, um mögliche Geschlechterunterschiede bei der Entstehung, im Verlauf und der Therapie des Bluthochdruckes zu verstehen und eine geschlechtsspezifische Therapie zu ermöglichen. Bis mehr Klarheit eintritt, gilt: Vorbeugung ist der Schlüssel. Regelmäßige Kontrollen, zuhause oder in der Arztpraxis, Sport, ausgewogene, salzarme Kost, weniger Alkohol und Zigaretten und Selbstfürsorge wie Yoga und Meditation können dabei behilflich sein.
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