Clair Benesch: "Mein Arzt meinte, der Wechsel sei eine Erfindung."
Ausgelacht: In der Praxis ihres Gynäkologen passierte ein unglaublicher Fall von Medical Gaslighting. Die Wienerin soll sich ihre Beschwerden nur einbilden.

Gleich vorweg, ich bin keine Ü50 und (wechsel)-weise für Ü50 Frauen, aber meine Probleme sind real und halten sich nicht an die Gesetze von Zahlen und Alter. Ich bin 48 Jahre, Trägerin eines Eheringes, der mich mit dem wundervollsten Mann der Welt verbindet, Mutter eines 28jährigen Sohnes und bald zweifache Oma. Beruflich habe ich mindestens so viele Dinge ausprobiert und gelernt, wie ich Plätze auf dieser Erde gesehen habe, bin welt- und menschenoffen, engagiere mich sozial, lebe gerne und mit aller Kraft.
Ich bin doch noch zu jung für den Wechsel – oder?
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Ausgeglichen war und bin ich bestimmt nie, allerdings eben auch nicht grundgrantig. Und genau dieser Grant, meine dauerhaft schlechte Laune – das war die erste Veränderung, die mir sehr bewusst und sehr unangenehm aufgefallen ist. Bei einem Gespräch mit einer Arbeitskollegin schilderte ich ein paar meiner neuen Marotten. Sie legte ihre Stirn in Falten und fragte geradeheraus: Kann es sein, dass du im Wechsel bist? Es fühlte sich an wie eine Ohrfeige, es ratterte in meinem Kopf: Konnte das sein? Durfte es sein? Ging sich das aus? Ich war doch noch mitten im Saft, Frauen meines Alters bekamen doch noch Kinder, ich war doch noch jung. Dennoch ließ mich dieser Gedanke nicht los, und so achtete ich besser auf das, was mich da plötzlich umwälzte und was da mal schleichend, mal abrupt, mit mir geschah.
Schweiß, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme am Bauch
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Konnte ich früher sprichwörtlich im Sitzen einschlafen, funktionierte es plötzlich kaum noch im Liegen und wenn doch, war ich schnell wieder wach und wälzte mich herum. Plötzlich bemerkte ich, wie mir bei Terminen in kühlen Räumen schlagartig und ohne Vorwarnung der Schweiß in Strömen runterlief. Was mich massiv unter Stress setzte, weil es mir einfach peinlich war wie eine Speckschwarte zu glänzen, während andere hübsch matt gepudert vor mir standen. Ich nahm ab da jeden Tag Wechselshirts mit ins Büro, meine Lade war vollgestopft mit Deos, ich trank Beruhigungstees und versuchte mich mental ruhig zu halten.
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Dann bemerkte ich die Körpermittenveränderung. Gab es früher eine konstante Range, innerhalb der ich mich gewichtstechnisch bewegte, setzte ich plötzlich am Bauch an, als wären Zwillinge im Anmarsch. Also begann ich zu fasten, probierte Darmsanierungen, bewegte mich mehr denn je. Nichts half gegen den Bauch.
Die Wechseljahre sollen etwas Erfundenes sein?
Als sich dann auch noch mein Zyklus, nach dem ich früher die Uhr stellen konnte auf 14 Tage und weniger verkürzte, ging ich schließlich zu meinem Gynäkologen, bei dem ich seit über 25 Jahren Patientin bin. Ich schilderte sogfältig meine Symptome, während ich ihn heftig nicken sah und beendete meine Ausführungen mit Ich weiß schon, alles Klassiker beim Wechsel, aber ich hätte gerne irgendwas, damit es mir besser geht Aus seinem Nicken wurde nun ein heftiges Kopfschütteln Schauen Sie, das kann unmöglich der Wechsel sein, weil es den gar nicht gibt. Der Wechsel ist etwas Erfundenes. Es gibt die Menopause, aber sie sagen ja, dass ihr Zyklus kürzer ist, und deshalb müssten Sie schon beim Begriff erkennen, dass das nicht stimmen kann – es heißt ja Menopause und nicht Meno-Häufigkeit
In der Praxis: Hormon-Lügen und Gelächter
Das saß! Ich gottseidank auch, sonst wäre ich umgefallen. Ich versuchte es erneut und erzählte ihm, dass ich trotz viel Sports und wenig Essens zunahm, bzw. viel schwerer als früher abnahm und bat ihn einen Hormonstatus zu machen. Er fiel mir ins Wort Wenn Sie wüssten, wie viele Frauen hier täglich sitzen und mir erzählen, dass sie zunehmen, obwohl sie nichts essen! Er lachte laut und fuhr fort: Wir können schon die Hormone anschauen, aber es wird halt nix bringen. Die Hormone haben auch keinen Einfluss aufs Zu- oder Abnehmen oder das Schlafverhalten. Dann hielt er einen Monolog über einen Professor Bauer (den ich nicht kenne), der in eindrucksvollen Worten erklärt habe, dass das Problem unserer Zeit wäre, dass wir uns alle mit 50 Jahren genauso ernähren, wie mit 20 und dass wir uns alle einfach zu wenig bewegten.
Bloßgestellt: Dieser Arzt sieht mich nie wieder!
Ich war fassungslos! Es folgte eine weitere Bauer-Anekdote: Der Bauer hat auch mal richtigerweise gesagt; wenn ein 20-Jähriger und ein 50-Jähriger 50 Minuten mit dem Rad fahren, dann ist ein 20-Jähriger von Wien nach St. Pölten gefahren, während der 50-Jährige grad mal über den grünen Berg ist Erneut lautes Gelächter. Es war spürbar, dass er sich sehr gefiel in seiner Rolle des mir Dummerl die Welt erklärenden Mediziners. Während der danach folgenden Untersuchung fabulierte er über sein Enkelkind, das ihm vor Augen führe, wieviel es sich im Gegensatz zu ihm bewegte, dabei fiel mir auf, dass auch Herr Doktor ziemlich füllig geworden war. Sollte er mich aus reinem Frust derartig mies und falsch beraten?
Bevor ich diesen Gedanken noch zu Ende denken konnte, läutete sein Handy (vor der Tür prangt ein Schild, auf dem in großen Lettern geschrieben steht Bitte Handy aus lautlos stellen, das hatte er vermutlich selbst nicht gelesen), er klatschte in die Hände und befahl Anziehen, alles bestens bei Ihnen und beendete die Behandlung. Am Ende erhielt ich eine Laborzuweisung für eine Hormonbestimmung und ein Präparat, das bei PMS-Problemen eingesetzt wird – ich habe das Wort weder erwähnt, noch dachte ich je, dass ich PMS-Probleme hätte. Er verabschiedete sich mit den Worten Heute war ich aber besonders schirch zu Ihnen, gell?
Beim Verlassen der Praxis war mir speiübel, ich fühle mich bloßgestellt, erniedrigt, gedemütigt. Hatte mir dieser kleine, untersetzte Kerl gerade wirklich einreden wollen, ich bilde mir all meine Symptome ein und es gäbe so etwas wie den Wechsel gar nicht? Und war dieses verschwörerische und augenzwinkernde Heute war ich besonders schirch zu Ihnen als Warnung zu verstehen, ich solle ihm nie wieder mit so einem Unsinn daherkommen? Womit ich wirklich und nachhaltig nie wieder daherkommen würde, ist als Person und Patientin. Keinen Fuß setze ich je wieder über diese Schwelle.
Neuer Mut und bald ein neuer Arzt
Mein Mann war mindestens so fassungslos wie ich, als ich ihn anrief und meinte, dass man diesen Arzt anzeigen müsste, weil er ja auch junge Frauen betreute und Frauen, die ihm vollinhaltlich vertrauten. Ich suche mir jetzt einen neuen Arzt und habe nach meiner Rückkehr ins Büro ein sehr offenes Gespräch mit einer anderen Arbeitskollegin geführt, die mir ein unterstützendes Präparat empfohlen hat, das ihr selbst sehr gut geholfen hat: Geduld wirst du schon brauchen, aber es wird besser, ich verspreche es dir. Wenn das mal mein alter Gynäkologe erfahren würde – was soll denn besser werden, wenn das, was ich an Symptomen habe, doch gar nicht real ist? Ich hoffe, ich kann mit meiner Geschichte anderen Frauen Mut machen, auch Stopp zu sagen, wenn ihnen Unsinn eingeredet wird. Euere Beschwerden sind real, ihr verdient es, ernst genommen zu werden. Und ich hoffe, wechselweise.net schaut auch den Ärzten und Ärztinnen regelmäßig auf die Finger.
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