Aktuell ist die sogenannte Abnehmspritze in aller Munde – und mit ihr eine Menge Halbwahrheiten und Mythen: Sie sei der einzig wahre Weg zum Wunschgewicht, mache krank, lasse nur Fett verschwinden (oder vielleicht doch auch Muskeln?), koste ein Vermögen – und wer weiß, vielleicht wächst einem auch noch ein drittes Auge?
In diesem Beitrag möchte ich etwas Licht ins Dunkel bringen:
- Wie funktionieren die derzeit gängigen Medikamente wirklich?
- Welche Nebenwirkungen können auftreten?
- Was sind die Vor- und Nachteile?
- Und nicht zuletzt: Was hat das Ganze eigentlich mit den Wechseljahren zu tun?
Wenn das Gewicht aus dem Gleichgewicht gerät
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Der Weg zum Wohlfühlgewicht ist häufig eine große Herausforderung – besonders in und um die Wechseljahre erleben viele eine ungewollte Gewichtszunahme. Plötzlich zeigt die Waage mehr an, obwohl sich an den Gewohnheiten nichts geändert hat. Die Hormone verändern sich, und mit ihnen oft auch der Stoffwechsel.
Neben einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger Bewegung und eventuell einer Hormonersatztherapie kann in bestimmten Fällen eine medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein.
Wann ist eine medikamentöse Therapie möglich?
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Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat mittlerweile mehrere Wirkstoffe zur Unterstützung bei der Gewichtsreduktion zugelassen. Eine Behandlung kommt in Frage, wenn:
- ein Body-Mass-Index (BMI) über 30 kg/m² vorliegt (Adipositas), oder
- ein BMI über 27 kg/m² besteht in Kombination mit einer gewichtsbedingten Erkrankung, wie z.B.:
- Typ-2-Diabetes
- Bluthochdruck
- Fettleber
- Schlafapnoe
Überblick: Die derzeit gängigen Medikamente
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- Semaglutid
Handelsname: Ozempic®, Wegovy®
Anwendung: 1x wöchentlich, Ø Gewichtsverlust: 15–17%
- Liraglutid
Handelsname: Saxenda®
Anwendung: 1x täglich, Ø Gewichtsverlust: 8–10%
- Tirzepatid
Handelsname: Mounjaro®
Anwendung: 1x wöchentlich, Ø Gewichtsverlust: bis zu 22%
Unterstützung statt Ersatz: Was Abnehmspritzen wirklich leisten können
Diese Medikamente sind keine Wundermittel – sie ersetzen weder eine ausgewogene Ernährung noch regelmäßige Bewegung. Aber: Sie können den Start in eine gesündere Lebensweise erleichtern und dabei helfen, Lebensstilveränderungen langfristig beizubehalten.
Gerade wenn frühere Versuche immer wieder gescheitert sind, kann eine medikamentöse Unterstützung neuen Mut machen – und den entscheidenden Unterschied bedeuten. Wichtig ist, sie als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zu sehen, nicht als Abkürzung.
Veränderung beginnt im Kopf – und manchmal hilft ein kleiner Anschub
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Ich erkläre es meinen Patientinnen oft so: Der bisherige Lebensstil hat uns dorthin geführt, wo wir heute stehen – und genau da müssen wir ansetzen, wenn wir langfristig etwas verändern wollen.
Eine medikamentöse Unterstützung kann den Einstieg deutlich erleichtern. Warum? Weil das ständige Gedankenkarussell ums Essen – das sogenannte food noise – leiser wird. Man ist schneller satt, hat weniger Hungergefühl, und dadurch purzeln die ersten Kilos oft erstaunlich schnell.
Das motiviert, weiterzumachen und hilft gleichzeitig, neue Portionsgrößen und Essgewohnheiten zu verinnerlichen: ein erster Schritt in Richtung nachhaltige Veränderung.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Wie bei jeder Therapie können auch bei den sogenannten GLP-1-Analoga Nebenwirkungen auftreten – vor allem durch die verlangsamte Magenentleerung und das verminderte Hungergefühl. Zu den häufigsten Beschwerden zählen:
- Übelkeit, Sodbrennen
- Völlegefühl oder Appetitlosigkeit
- Durchfall oder Verstopfung
- Gelegentlich Müdigkeit oder Kopfschmerzen
- Ein verstärktes Kälteempfinden
Diese Symptome zeigen sich meist zu Beginn der Behandlung und lassen sich durch ein langsames Einschleichen der Dosis gut in den Griff bekommen.
In sehr seltenen Fällen kann es zu Problemen mit der Gallenblase oder zu einer Bauchspeicheldrüsenentzündung kommen. Deshalb besprechen wir vor Therapiebeginn ausführlich, worauf zu achten ist und welche Warnsignale ernst genommen werden sollten.
Gut begleitet wirkt besser: Worauf du während der Therapie achten solltest
Damit die medikamentöse Unterstützung bestmöglich wirken kann, gibt es ein paar wichtige Dinge zu beachten.
Zum einen: ausreichend trinken! Denn unter der Therapie kann das Durstgefühl nachlassen – und wer zu wenig Flüssigkeit aufnimmt, riskiert Kreislaufprobleme und Konzentrationsschwäche.
Ebenso entscheidend ist eine bewusste, regelmäßige Nahrungsaufnahme – am besten in Kombination mit Bewegung. So paradox es klingt: Viele essen während der Therapie zu wenig. Die Folge? Muskelabbau, Müdigkeit und manchmal sogar unangenehmer Mundgeruch.
Die gute Nachricht: Wer diese Punkte im Blick behält, kann nicht nur Nebenwirkungen vermeiden, sondern legt auch den Grundstein für langfristigen Erfolg.
Zur besseren Überwachung, vor allem der Muskelmasse, führe ich in meiner Praxis vor und während der Therapie eine genaue Körpermessung mittels Bioimpedanzanalyse durch. Diese misst präzise die Zusammensetzung des Körpers – also wie viel Fett, Muskelmasse und Wasser vorhanden sind – und hilft dabei, den Therapieverlauf individuell anzupassen und optimiert zu begleiten.
Häufige Fragen zur Abnehmspritze
- Wie lange dauert die Therapie?
Die Therapiedauer ist individuell und hängt vom Verlauf ab. Eine langfristige Betreuung ist sinnvoll ebenso wie eine Veränderung des Lebensstils. Je besser dies gelingt, desto einfacher fällt die Entwöhnung der medikamentösen Therapie.
- Sind die Medikamente sicher?
Alle genannten Wirkstoffe wurden in großen Studien untersucht und haben ein gutes Sicherheitsprofil. Wichtig ist, dass diese ärztlich begleitet werden und Patientinnen und Patienten gut über Risiko und Nebenwirkungen aufgeklärt sind.
- Was ist mit dem Krebsrisiko?
In Tierstudien gab es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsentumoren – beim Menschen konnte das bisher jedoch nicht bestätigt werden. Große Studien zeigen bislang kein erhöhtes Krebsrisiko. Wichtig: Für Menschen mit einer familiären Vorbelastung (z.?B. medullärem Schilddrüsenkrebs) ist die Therapie nicht geeignet und sollte individuell abgeklärt werden.
Was hat der Hype um die Abnehmspritze mit den Wechseljahren zu tun?
Während der Wechseljahre verändert sich der Hormonhaushalt grundlegend – und das hat weitreichende Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Der sinkende Östrogenspiegel beeinflusst unter anderem die Ausschüttung und Wirkung wichtiger Darmhormone wie GLP-1 und GIP, die für das Sättigungsgefühl und die Blutzuckerregulation verantwortlich sind.
Studien zeigen, dass Frauen nach der Menopause oft ein vermindertes Sättigungsgefühl und eine veränderte Reaktion auf Nahrungsaufnahme haben, was eine Gewichtszunahme begünstigt und das Abnehmen erschwert. Genau hier setzen die GLP-1-Medikamente an, indem sie die Wirkung dieser Hormone gezielt verstärken.
Auch eine Hormonersatztherapie (HRT) kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen: Sie gleicht den Östrogenmangel aus und kann damit die natürliche GLP-1-Wirkung unterstützen – was sich wiederum positiv auf den Erfolg der medikamentösen Therapie auswirken kann.
Die Kombination aus HRT, Lebensstilveränderung und medikamentöser Unterstützung kann also gerade in den Wechseljahren eine hilfreiche Strategie sein – individuell abgestimmt und ärztlich begleitet.
Fazit
Es gibt kein allgemeingültiges Richtig oder Falsch – therapeutische Entscheidungen sollten vor allem während der Wechseljahre stets individuell getroffen und medizinisch fundiert begleitet werden.
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