Über Gegenwind, Gegenliebe und Semantik: Meine Rede anlässlich der Preisverleihung des "Lovemore Awards" an wechselweise.net am Diversity Ball.
Manche mögen es heiß: In Janinas Lebiszczaks wechselweiser Welt dreht sich alles um Selbstverwirklichung, Selbstwert und die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Sex, Katzen sowie die stetige Erweiterung des eigenen Horizonts und Humors. Foto: Markus Morianz
Wenn du die Möglichkeit hast über Diversity zu sprechen, dann ergreife die Chance. Dieser Rat kam von einem schwulen Freund, mein Förderer und größter Kritiker zugleich. Sag nicht nur Danke, Janina. Nütze den Moment. Und eine Freundin meinte: Dann wirst du Bodyguards brauchen. Du wirst gecancelt werden.
Ich will das nicht glauben. Ich will das nicht glauben müssen.
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Ich bin also eine heterosexuelle Frau, die langsam, aber sicher auf die 50 zugeht. Mit wechselweise.net wollen wir nicht nur die Wechseljahre, sondern das Älter werden generell enttabuisieren. Diese Arbeit ist wunderschön, ermutigend – und manchmal gerät man ordentlich ins Grübeln. Erst jüngst haben wir ein Fotoshooting veröffentlicht, ein Editorial mit Make-up-Looks für Frauen über 50. Wir wollten sie sichtbar machen, wir wollten sie strahlen lassen. In dutzenden anderen Beiträgen zeigen wir Frauen in der Lebensmitte, und zwar jeder Facette.
Das (rein weibliche) Feedback auf unsere letztaktuelle BEAUTY-Strecke – ich betone dieses Wort ganz absichtlich – war nicht nur positiv. Die Role Models, die wir unter hunderten Einsendungen auswählten, waren zu schön, zu schlank und damit nicht repräsentativ. Kein Durchschnitt. Was und wer ist das eigentlich – der Durchschnitt? Ich jedenfalls kenne keine durchschnittlichen Menschen, weder im Umfeld noch bei unseren Leserinnen. Was ich sehe, das ist Diversity.
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Aber noch ein anderes Wort beschäftigt mich: ZU. Zu jung, zu alt, zu dick, zu fit, zu dünn, zu laut, zu leise, zu sehr auf die Karriere fokussiert, zu sehr auf die Familie, zu lustig, zu wild. ZU? FRAU? Was macht Frausein eigentlich aus? Noch bevor unsere Welt Diversität zuließ, waren Frauen so etwas wie early adopter der Benachteiligung. Das begann mit dem Biss in dem Apfel. In jeder Weltreligion gilt die Frau als minderwertig. Das Patriachat will uns seit Jahrtausenden weismachen, dass wir still, fromm, gebärfähig und jung sein sollen. Das definiert unsere Werte, das dürfen wir sein. Verhüllt, ausgezogen, betatscht, auf Scheiterhaufen verbrannt, weggesperrt, eingeengt, bespöttelt, sei geil, sei brav, sei lieb, sei schön – ach was: Nicht mit uns. Wir machen da nicht mit. Und man kann jede Menge von uns lernen, was Widerstand betrifft.
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Und nun ein neuer Schauplatz: Neben der bereichernden Diversity wie wir sie heute Abend gemeinsam feiern, gibt es auch beunruhigende Tendenzen. Einer dieser Schauplätze betrifft Transfrauen und – diesen Begriff habe ich unlängst gelernt – Bio-Frauen. Gestritten wird viel, aber ganz konkret um die Begrifflichkeit, um das Wort Frau. Gebärende oder blutende Personen sollen wir Bio-Frauen nun wohl genannt werden. Wie ist das dann eigentlich nach dem Wechsel? Kein Blut, keine blutende Person, keine Frau? Oder den freiwillig Kinderlosen? Kein Baby, keine Mutter, keine Frau?
Ich kann mich genau an die Wut erinnern, die ich verspürte, als ich davon hörte, dass sich der Begriff Frau im Wanken befindet. Schon klar: Menschsein – das bedeutet mehr als Penis oder Vulva. Und doch ist mir das Frau sein wichtig. Mein Geschlecht ist weiblich. Jenes Geschlecht, das ein Recht auf die Gleichstellung mit dem männlichen Geschlecht am Arbeitsplatz hat und ganz spezielle Fragen der Gesundheitsfürsorge hat.
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Bei all dem Ärgernis: Ich verstehe nun manche von euch besser: Es macht unglaublich wütend, wenn man nicht sein, darf wer man ist. Wenn man seiner Identität beraubt wird. Und im Falle der Begrifflichkeit der FRAU auch einer langen Geschichte von Schmerz und Schöpfung, einem uralten Kampf um Rechte, ein Kampf um Selbstbestimmung, ums Gesehen werden. Unser Kampf. Unser täglicher Kampf bis heute.
Ich bin eine Frau. Wir sind Frauen. Wer als Frau fühlt, der weiß was Schmerz bedeutet. Heilen wir. Zusammen. Unterstützen wir uns, lernen wir voneinander. Lieben wir, lieben wir mehr, denn dazu fordert uns dieser Preis in aller Deutlichkeit aus.
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