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Psyche/Seele

PMDS und Wechseljahre: Was bei Depression, Wut und Hoffnungslosigkeit hilft

Viele Frauen leiden unter der Prämenstruellen Dysphorischen Störung (PMDS). Gynäkologin Dr. Jael Bosman erklärt, was sich in den Wechseljahren verändert – und was h

Wie hängen PMS und PMDS zusammen – und was hat eine PMDS mit den Wechseljahren zu tun? 

Dr. Bosman: Bei vielen Frauen kündigt sich die Menstruation bereits Tage vorher an. Zum Beispiel mit Symptomen wie Blähbauch, Wassereinlagerungen, Durchfall oder Verstopfung, Kopfschmerz bis hin zu Migräne, Heißhunger, Gereiztheit, Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein und Missstimmungen – um nur die häufigsten zu nennen. Da diese Beschwerden vor der Blutung, also prämenstruell auftreten, fasst man sie auch unter dem Begriff Prämenstruelles Syndrom, kurz PMS, zusammen.  

Das PMS kennen alle menstruierenden Frauen – in meiner Praxis habe ich noch keine getroffen, die PMS nicht schon einmal erlebt hat. Wobei kein PMS dem anderen gleicht. Jede Frau erlebt ihr eigenes PMS, die eine belastet es weniger, die andere mehr.  

Einige meiner Patientinnen leiden an der schwersten Form des PMS, der sogenannten Prämenstruellen Dysphorischen Störung, kurz: PMDS. Frauen in den Wechseljahren erleben wegen der schwankenden Hormonlage häufig eine Verstärkung ihrer PMDS. 

Ist eine PMDS „nur“ ein stärkeres PMS?

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Dr. Bosman: Nicht ganz. Beide treten in der zweiten Zyklushälfte auf, also nach dem Eisprung, und enden spätestens am zweiten oder dritten Tag nach Einsetzen der monatlichen Blutung. Doch im Unterschied zu einem PMS, das den meisten Frauen vor allem körperlich zu schaffen macht, „stört“ eine PMDS auch die Psyche der Frauen erheblich. Hier dominieren die psychische Beschwerden sogar. 

Wie sieht das konkret aus? 

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Dr. Bosman: Viele meiner PMDS-Patientinnen fühlen sich an den Tagen vor den Tagen nicht mehr wie sie selbst. Sie kommen zu mir und erklären, dass sie befürchten, „verrückt“ zu werden. Die PMDS treibt sie dazu, sich selbst nicht zu mögen und vieles in ihrem Leben und sogar ihr Leben selbst infrage zu stellen: So manche PMDS-Betroffene will allmonatlich alles hinschmeißen: Beziehung, Mutterschaft, Job. Einigen geht es so schlecht, dass sie ihren Lieblingsmenschen oder sich selbst etwas antun wollen. Sobald die Regel da ist, sind die Frauen dann wie ausgewechselt und wieder ganz sie selbst. Mit der wiedergewonnen Klarheit kommen bei vielen PMDS-Betroffenen jedoch Schuld- und Schamgefühle wegen ihres aus der Rückschau unerklärlichen und unbegründeten Verhaltens auf. Das belastet sie zusätzlich. Eine Doppellast, die viele Frauen leise tragen.  

Haben Sie konkrete Zahlen zur Betroffenheit?  

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Dr. Bosman: 9 von 10 Frauen fühlen sich an den Tagen vor ihren Tagen unwohl. Bis zu 30 Prozent von ihnen leiden am Prämenstruellen Syndrom (PMS), bis zu 8 Prozent an PMDS.  

Was sind die Ursachen einer PMDS? 

Dr. Bosman: Auch wenn die Ursachen von PMS und PMDS noch nicht vollends erforscht sind, wissen wir schon, dass es sich bei der PMDS um ein multifaktorielles Geschehnis handelt. Das heißt, es gibt viele Faktoren, die daran mitwirken – zwei will ich gerne vorstellen:  

  • Eine Ursache sind die sich zyklisch verändernden Hormonspiegel der Menstruierenden. Wobei dieser Rhythmus, den der weibliche Zyklus von Natur aus vorgibt, individuell ist – er variiert sowohl von Frau zu Frau als auch über die fruchtbaren Jahre hinweg.  
  • Zudem wissen wir, dass der weibliche Zyklus keine reine „Bauchsache“ ist, sondern auch „Kopfsache“: Denn er findet nachweislich auch im Gehirn statt. Im Herz übrigens auch, aber das nur nebenbei. Im Gehirn gibt es Monat für Monat wiederkehrende zyklische Veränderungen, die sich auch auf biochemischer Ebene abspielen 

Frauen mit PMDS erleben deshalb sowieso schon hormonelle Großereignisse wie das Absetzen einer hormonellen Verhütungsmethode (Stichwort: „Antibabypille“), Schwangerschaften, Geburten (auch Fehlgeburten) und die Wechseljahre noch einmal ganz anders als Frauen, die nicht an PMDS leiden: Bei PMDS-Patientinnen verstärken sich bestehende zyklische Beschwerden dann häufig.  

Inwiefern beeinflusst eine PMDS Frauen in den Wechseljahren besonders? 

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Dr. Bosman: In den Wechseljahren stellt der weibliche Körper nach und nach die Produktion der weiblichen Sexualhormone ein. Das ist jedoch kein steter, sondern ein in sich schwankender Prozess, der meist mit erheblichen Beschwerden einhergeht. Bei Frauen, die an einem PMS oder an einer PMDS leiden, können sich diese Beschwerden in der Perimenopause entweder mildern oder verstärken und damit den Alltag der Frauen erheblich beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall landen die Betroffenen in einer perimenopausalen Depression. Das betrifft insbesondere die Frauen, die zuvor schon an depressiven Verstimmungen litten. 

Demnach sind depressive Verstimmungen und Depressionen in fruchtbaren Zeiten ein Risikofaktor für PMDS in den Wechseljahren? 

Dr. Bosman: Davon gehe ich nach derzeitigem Kenntnisstand aus, wobei die Forschung hier noch längst nicht alle Zusammenhänge geklärt hat. Grundsätzlich rate ich Frauen, die an den Tagen vor den Tagen körperlich und psychisch leiden, dieses Leid möglichst früh abzuklären.  

Neben dem Blick auf die persönliche Zyklushistorie, insbesondere auf die Zeit rund um die Geburt von Kinder(n) und dann aufgetretenen depressiven Phasen, hilft dabei auch ein Blick auf die eigene Familie: Gab oder gibt es verwandte Frauen mit ähnlichen psychischen Leiden vor der Menstruation? Nach derzeitiger Studienlage gibt es Hinweise auf genetische Zusammenhänge – die Neigung für eine PMDS ist oft ein familiäres Phänomen. 

Wie diagnostizieren Sie eine PMDS? 

Dr. Bosman: Spannenderweise gelingt das nicht mit einem Bluttest, denn der zeigt meist unauffällige Hormonwerte. Körperlich sind die Frauen gesund.  

Die PMDS hat seit dem Jahr 2019 ihren eigenen Diagnoseschlüssel (Code) gemäß der „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems” (ICD, auf Deutsch: „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das war ein Meilenstein für die Entwicklung der Frauenmedizin, denn seitdem sind die PMDS-Beschwerden weltweit einheitlich anerkannt, benannt und eindeutig deklariert: als gynäkologische Erkrankung 

Für meine Diagnose einer PMDS nach der ICD-11 gilt: Es müssen mindestens 

  • ein affektives Symptom (Stimmungslabilität, Gereiztheit, depressive Verstimmung oder Angst)  
  • und ein weiteres körperliches und/oder geistiges Symptom (Energieverlust, Gelenkschmerzen, Brustspannen, Schläfrigkeit, übermäßiges Essen oder Konzentrationsprobleme)  

auftreten. Wichtig: Noch ist die ICD-11 nicht in jeder Arztpraxis angekommen. Es ist demnach durchaus empfehlenswert, dass die um Rat suchenden Frauen ihre Ärzt:innen gezielt daraufhin ansprechen.  

Ich ziehe zur Diagnose der PMDS neben der ICD-11 gerne noch das aktuelle Klassifikationssystem für psychische Störungen DMS-5 heran. Das beschreibt die Kernsymptome anschaulich und spiegelt somit die klinische Realität der Patientinnen in meiner Praxis sehr gut wider: 

  1. Stimmungsschwankungen, plötzliche Traurigkeit, Weinen, erhöhte Empfindlichkeit gegen Zurückweisung 

  2. hohe Reizbarkeit, Wut, mehr Konflikte 
  3. depressive Verstimmung,
    Hoffnungslosigkeitsgefühl, Selbstabwertung
     
  4. deutliche Angst, Anspannung, Gereiztheit, Nervosität 

  5. weniger Interesse an üblicherweise freudvollen Aktivitäten 

  6. Gefühl von Unkonzentriertheit 

  7. Lethargie, leichte Ermüdbarkeit oder deutlicher Energieverlust 

  8. mehr und ungewöhnlicher Appetit 

  9. Schlafstörungen 

  10. Gefühl von Überwältigung und Kontrollverlust 

  11. empfindliche Brüste, Brustschwellungen, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Gefühl „aufgedunsen“ zu sein, Gewichtszunahme 

Bei allen genannten Symptomen kommt es immer darauf an, wie sehr diese meine Patientin im Bewältigen ihres Alltags beeinträchtigen.  

Welche Möglichkeiten gibt es, eine PMDS zu behandeln – grundsätzlich und im Wechsel? 

Dr. Bosman: Als Gynäkologin behandle ich eine PMDS bei Frauen vor den Wechseljahren gerne und gut mit Ovulationshemmern („Pille“), die das Hormonsystem dazu bringen, keinen Eisprung auszulösen. Diese Behandlung ist bei perimenopausalen Frauen jedoch nicht angeraten. Hier ist dann von Frau zu Frau zu entscheiden, ob eine Hormonersatztherapie (HET) helfen kann, die im Wechsel typischen Hormonschwankungen auszugleichen.  

Manchmal ist es auch der Einsatz von Psychopharmaka, der helfen kann, oder eine Kombination aus beiden: Hormontherapie und Antidepressiva.  

Wie genau wirken die Antidepressiva gegen die PMDS-Beschwerden? 

Depressionen entstehen unter anderem, weil die Verarbeitung des „Glückshormons“ Serotonin im Gehirn gestört ist. Bei PMDS-Patientinnen kommt es in der zweiten Zyklushälfte zu einem Serotoninmangel, so dass sie Stress schlechter bewältigen und ihre Resilienz sinkt. Grund für den Mangel ist, dass ungewöhnlich viel Serotonin von seinem eigentlichen Wirkort abtransportiert wird. Antidepressiva normalisieren den Serotoninhaushalt.  

Manchen Frauen hilft es auch schon, wenn sie extra Serotonin „nachtanken“: Tryptophan, eine Vorstufe davon, findet sich unter anderem in Nüssen, Tofu, Soja, dunkler Schokolade und Bananen.  

Serotonin als Adresse für die Wirkung von Antidepressiva ist der bekannte „Klassiker“ – aber natürlich gibt es auch andere Wirkstoffklassen, die helfen können. Hier ist die enge Zusammenarbeit mit Psychiater:innen wichtig, um die Frau individuell zu behandeln. 

Gibt es weitere Möglichkeiten, wie PMS- und PMDS-Patientinnen selbst beitragen können, ihre Beschwerden zu lindern? 

Dr. Bosman: Jede Menstruierende sollte wissen, dass sie PMS- und PMDS-Beschwerden keinesfalls hinnehmen muss. Es gibt längst Möglichkeiten, diese zu behandeln. Betroffene können damit anfangen, ihren Lifestyle anzupassen: Ich empfehle meinen Patientinnen regelmäßigen Sport. Er stärkt Physis und Psyche. Die Bewegung darf so intensiv sein, dass die Frauen ins Schwitzen kommen – das bringt ihren Kreislauf und Stoffwechsel in Schwung. Natürliches Licht ist zudem wichtig. Ebenso guter Schlaf. Zu diesem verhelfen eine gesunde Schlafumgebung und Entspannungstechniken wie Meditation. Gegen leichte Schlafprobleme gibt?s pflanzliche Mittel mit dem „Schlafhormon“ Melatonin. Zudem sollten die Frauen darauf achten, dass ihr Körper ausreichend mit Mikronährstoffen wie Vitamin D (in Kombi mit Kalium), Magnesium, Omega-3 und Vitamin B6 versorgt ist, die für viele biochemische Abläufe wichtig sind.  

Sie sprachen eben davon, dass die eigene ICD-Codierung der PMDS ein „Meilenstein für die Frauenmedizin“ war – inwiefern? 

Dr. Bosman: Weil endlich Schluss damit ist, dass Frauen mit Beschwerden, die sie wegen ihrer zyklisch ausgerichteten Biologie ertragen, als psychisch krank eingeordnet werden, wie es bis dato der Fall war. Diese Bewertung des typisch Weiblichen hat eine lange Geschichte, die von der Antike bis ins Heute reicht. Im 19. Jahrhundert sprach man gar vom „menstruellen Irresein“. Und noch immer wird Frauen an den Tagen vor und während ihrer Tage oft eine geistige und mentale Schwäche zugeschrieben. Die Klassifizierung als gynäkologische Erkrankung beendet, dass Frauen wegen ihrer Natur „(psychisch) krank geredet“ werden. 

 

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