In den Wechseljahren verändern sich die Libido und das Sexualleben meist stark. Ist es die Zeit deines Lebens im Bett oder hältst du dich aus Unlust, verminderter Orgasmusfähigkeit oder Schmerzen beim Sex von Männern fern? Frauen berichten Unterschiedliches. Für einige sind die Wechseljahre ein Leben am Höhepunkt, für andere bedeuten sie Rückzug und Lustverlust. Neben der hormonellen Umstellung, die den Körper gehörig durcheinanderbringt und sich negativ auf Libido und Co. auswirken kann, können auch sexuelle Funktionsstörungen auftreten, die mit Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Bluthochdruck, Diabetes, Krebs oder auch Bandscheibenvorfälle einhergehen. Weitgehend unbeachtete bleibt, dass auch Medikamente, die zu deren Behandlung eingesetzt werden, das Sexleben dämpfen können.
Starten wir mit einer Begriffsdefinition: Was versteht man unter sexuellen Funktionsstörungen und wie können sie sich zeigen?
Arten von sexuellen Funktionsstörungen
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- Störungen des sexuellen Begehrens (vermindertes Begehren oder sexuelle Aversion)
- Störungen der sexuellen Erregung
- Orgasmusstörungen
- Störungen mit sexuell bedingten Schmerzen – beim Geschlechtsverkehr oder als Folge von Verkrampfung der Scheiden- und Beckenbodenmuskulatur (Vaginismus)
Sexuelle Funktionsstörungen können mit körperlichen Veränderungen, wie sie rund um die Menopause auftreten, oder Erkrankungen zusammenhängen, und zeigen sich ganz unterschiedlich. Manchen Frauen fehlt das Verlangen nach Sex, andere spüren sich selbst weniger oder reagieren kaum auf Reize, die für gewöhnlich durch Berührung bis hin zu Sex im Körper spürbar werden. Solche Funktionsstörungen können auch die Folge einer Erkrankung selbst sein – vor allem dann, wenn man sich für seine Krankheit schämt oder sich selbst die Schuld dafür gibt.
Diagnose sexueller Funktionsstörungen
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Die Diagnose ist manchmal nicht so einfach zu stellen, wie wir uns das oft vorstellen, betont die Neurologin und Sexualmedizinerin Dr. Bettina Dangl im Gespräch mit wechselweise.net. Es sind die drei Eckpfeiler Biologie, Psyche und sozialer Einfluss, die für unseren körperlichen Zustand von Bedeutung sind. Experten sprechen daher vom sogenannten bio-psycho-sozialen Modell:
- Die Biologie gibt unsere Körperfunktionen vor und bestimmt, wie wir genetisch und anatomisch gebaut sind.
- Die Psyche wiederum umfasst etwa das Erleben, wie wir Aufgaben bewältigen und Geschehnisse verarbeiten.
- Soziale Einflüsse können unterschiedlichster Natur sein. Dabei spielen Umweltfaktoren, zwischenmenschliche Beziehungen, Kulturelles und Spirituelles eine bedeutende Rolle.
Wie funktionieren Erregung, Lust und Begehren?
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In unserem Körper sind Botenstoffe, sogenannte Transmitter, dafür zuständig, ob wir Verlangen und Lust empfinden können. So lenken etwa die sogenannten Neurotransmitter Dopamin oder Serotonin unter anderem unsere Stimmung und damit auch unser sexuelles Interesse.
- Dopamin und auch Noradrenalin besitzen einen sexuell stimulierenden Effekt. Ein Mangel führt zu einer Minderung des sexuellen Verlangens.
- Serotonin wiederum wirkt entspannend. Während dem Orgasmus wird es vermehrt ausgeschüttet, was uns in einen Zustand der Entspannung und Glückseligkeit versetzt. Ein erhöhter Spiegel kann allerdings zu einer verminderten Libido, Erregungs- oder Orgasmusstörung führen – ebenso ein erhöhter Prolactinspiegel.
Auch Sexualhormone haben Einfluss auf die Entstehung von Lust:
- Bei Frauen ist es vor allem das Östrogen, das zu einer erhöhten Erregung und zu einem erhöhten Blutfluss in den Geschlechtsorganen führt.
- Auch das Testosteron steuert die Libido und den Sexualtrieb, indem es den Dopaminspiegel erhöht.
Doch warum läuft dann trotzdem ab und zu etwas aus dem Ruder? Hier können Medikamente ins Spiel kommen.
Arzneistoffe, die die Sexualität stören können
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Die Frage ist oft, ob die Grunderkrankung, die behandelt werden soll, die Sexualfunktionsstörung verursacht hat, oder dann die Medikation. Manchmal ist die Zuordnung schwierig, und man muss auch andere Faktoren wie z.B. Symptome einer Depression oder Nebenwirkungen der Antidepressiva erfragen, um das richtige Vorgehen herauszufinden, betont Dr. Bettina Dangl.
Blicken wir allerdings auf die vielen Botenstoffe, die für unser Sexleben eine bedeutsame Rolle spielen, dann wird schnell klar, welche Substanzen Störungen verursachen können. Bestimmte Antidepressiva, Blutdrucksenker, Antidiabetika, Lipidsenker oder Antiepileptika, aber auch Hormonpräparate muss man diesbezüglich gut im Auge behalten. Hier einige Beispiele:
- Antidepressiva: Je nach Wirkstoff verändern sich die Spiegel von verschiedenen Botenstoffen, die wiederum sowohl zu hoch als auch zu niedrig eine negative Auswirkung auf die Libido oder den Orgasmus haben können.
- Blutdrucksenker: Alleine die Tatsache der Blutdrucksenkung kann zu Dysfunktionen führen. Betablocker erzeugen häufig eine Erregungsstörung.
- Antiepileptika: Medikamente gegen Epilepsie können den Abbau von Sexualhormonen beeinflussen und zu Müdigkeit führen. Beides beeinträchtigt die sexuelle Aktivität.
- Hormonpräparate und Pille: Vor allem das Gestagen wird für sexuelle Unlust verantwortlich gemacht. Die Studienlage ist allerdings noch nicht eindeutig.
Was tun bei sexuellen Störungen?
Leider werden Frauen in der Arztpraxis kaum auf ihr Sexualleben angesprochen– eine Ausnahme stellen die Gynäkolog:innen dar. Wobei es auch hier Unterschiede gibt. Eine US-Studie der Menopause Society zeigt, dass sich etwa Allgemeinmediziner:innen viel seltener nach sexuellen Problemen erkundigen als die Fachärzt:innen der Frauenheilkunde.
In einer Umfrage mit 700 Teilnehmenden wurden mehrere Hindernisse genannt.
- Neben Zeitmangel in der Hausarztpraxis ist es die Tatsache, dass sexuellen Problemen eine geringere Priorität zugeordnet wird.
- Zudem fühlen sich auch Ärzt:innen häufig unbehaglich, das Thema anzusprechen.
- Hinzu kommt ein mangelndes Wissen über Sexualmedizin.
Alles Gründe, die sehr wahrscheinlich auch anderen Fachgruppen zugeordnet werden können. Oder hat sich – als Beispiel – dein Kardiologe oder Psychiater schon einmal nach deinem Sexualleben erkundigt? Gefragt, ob es etwas gibt, das dir als besonders störend auffällt?
Es gibt also erhebliche Lücken, die angegangen werden müssen, urteilt Dr. Stephanie Faubion, medizinische Leiterin der Menopause Society in der im Fachblatt Menopause publizierten Studie.
Sexuelle Probleme selbst ansprechen
Sprich deinen Arzt oder deine Ärztin aktiv auf sexuelle Probleme an! Das ist der erste Schritt um herauszufinden, ob die Medikamente die Ursache sind und ob es alternative Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ansätze wären etwa:
- Medikamentenumstellung: Mit einem Umstieg kann versucht werden, die unerwünschte Nebenwirkung zu reduzieren oder zu vermeiden. Auch kann eine Dosisanpassung eine Lösung sein.
- Optimierung der Lebensumstände: Lebensstiländerung wie Gewichtsreduktion sowie Verzicht auf Rauchen und Alkohol können die Probleme deutlich reduzieren.
- Unterstützung durch Psycholog:innen oder Sexualtherapeut:innen: Treten Probleme in der Partnerschaft auf, ist Sexualtherapie – auch als Paartherapie – eine gute Option. Ein Viertel bis zwei Drittel aller Probleme können schon in einer Erstberatung gelöst werden.
Fazit
Dass gar nicht so wenige Medikamente aufgrund von Nebenwirkungen wie Libidomangel, Orgasmusstörungen oder geringerem sexuellem Empfinden zu einem gestörten Sexualleben führen können, ist unter Expert:innen unumstritten. Nicht immer ist es einfach, zu erkennen, ob die Grunderkrankung selbst oder das Arzneimittel dazu führt. Deshalb ist es wichtig, sich an erfahrene Ärzt:innen wie zum Beispiel Sexualmediziner:innen zu wenden. Darüber zu sprechen, ist das Um und Auf, um wieder erfüllenden Sex erleben zu können.
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