Die sogenannte Nutrigenetik untersucht, wie genetische Variationen die Reaktion des Körpers auf bestimmte Nährstoffe beeinflussen und wie diese Wechselwirkung das individuelle Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten wie Übergewicht oder Diabetes Typ 2 beeinflusst. Besonders im Wechsel ist Gewichtszunahme immer wieder Thema. Individuelle Empfehlungen können helfen, das Gewicht zu halten und sich im eigenen Körper energiegeladen und wohl zu fühlen. Wie das funktioniert, welche Rolle die Epigenetik dabei spielt und was Frauen im Wechsel konkret tun können, erklärt Dr. Daniel Wallerstorfer. Der Molekularbiologe und Gründer von NovoDaily beschäftigt sich seit Jahren mit personalisierter Ernährung und genetischer Diagnostik.
Wie funktioniert das Zusammenspiel von Epigenetik und Ernährung?
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Dr. Wallerstorfer: Die Genetik bestimmt, welche Baupläne unser Körper hat. Die Epigenetik hingegen regelt, wie stark diese Pläne umgesetzt werden – vergleichbar mit einem Lautstärkeregler. Lebensstilfaktoren wie Bewegung, Umweltgifte oder eben Ernährung beeinflussen diese epigenetische Steuerung. Dagegen können Inhaltsstoffe wie zum Beispiel grüner Tee, Brokkoli oder Resveratrol epigenetisch positiv wirken.
Wie funktioniert Nutrigenetik im Alltag – haben Sie ein einfaches Beispiel?
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Dr. Wallerstorfer: Ein gutes Beispiel ist Kaffee. Er enthält viele gesunde Stoffe aber auch Koffein, das als Pflanzengift wirken kann. Ein bestimmtes Gen (CYP1A2) entscheidet, wie gut unser Körper Koffein abbauen kann. Wer eine günstige Variante dieses Gens hat, profitiert gesundheitlich vom Kaffee – wer nicht, trägt ein erhöhtes Risiko für Herzprobleme. Nutrigenetik zeigt also, wie individuell Lebensmittel wirken. Das gilt auch für die Gewichtskontrolle: Manche Menschen nehmen eher durch Fett, andere durch Kohlenhydrate zu. Genetisches Wissen kann hier gezielt helfen.
Wie beeinflusst genetisches Wissen konkrete Ernährungsempfehlungen?
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Dr. Wallerstorfer: Einige Gene entscheiden, ob ein Nährstoff bei jemandem überhaupt wirkt oder sogar schädlich sein kann. Auch wie viel davon nötig ist, ist genetisch festgelegt. Solche Informationen ermöglichen eine viel präzisere und effektivere Ernährungsempfehlung.
Lassen sich genetische Empfehlungen an Lebensphasen wie die Wechseljahre anpassen?
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Dr. Wallerstorfer: Grundsätzlich bleiben die Gene gleich. Aber hormonelle Veränderungen, wie sie in den Wechseljahren auftreten, beeinflussen die Wirkung der Gene. In dieser Zeit verändern sich Mikronährstoffbedarf und Entgiftungskapazitäten. Eine Kombination aus genetischem Profil und aktueller Lebensphase liefert dann die besten Ernährungshinweise – etwa bezüglich Vitamin D, Omega-3 oder Phytoöstrogenen.
Gibt es spezifische genetische Marker, die in den Wechseljahren besonders relevant sind?
Dr. Wallerstorfer: Ja, zum Beispiel:
- VDR-Gen für die Vitamin-D-Verwertung und Knochengesundheit
- MTHFR und MTRR für die Energieproduktion und Stimmung
- CYP1A1, CYP1B1 und COMT für den Östrogenstoffwechsel
- FTO, ADIPOQ und TCF7L2 für Gewicht und Glukosestoffwechsel
Eine individuelle Analyse kann dem Körper helfen, vital und gesund zu bleiben.
Spielt die Epigenetik auch bei hormonellen Veränderungen eine Rolle?
Dr. Wallerstorfer: Absolut. Hormonelle Umstellungen verändern die epigenetische Aktivität, z.?B. bei Genen für Entzündungen oder Knochendichte. Gleichzeitig kann Ernährung hier gezielt gegensteuern – etwa über Inhaltsstoffe wie Sulforaphan, Resveratrol oder Omega-3, die epigenetisch wirksam sind.
Kann gezielte Ernährung epigenetische Prozesse beeinflussen?
Dr. Wallerstorfer: Ja. Das nennt sich nutraepigenetische Modulation. Bestimmte Nahrungsergänzungen – etwa Methylfolat, B-Vitamine oder Polyphenole – können gezielt Genaktivitäten verändern, die für hormonelles Gleichgewicht oder Zellschutz wichtig sind. Grundsätzlich aber bleibt der genetische Ernährungstyp im Laufe der Jahre gleich. Doch seine Relevanz kann sich verändern: Ein Vitamin-D-Gendefekt wird etwa dann zum Problem, wenn der sinkende Östrogenspiegel zu Knochenabbau führt. Das bedeutet, die Empfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel wird trotzdem an den erhöhten Nährstoffbedarf im Wechsel angepasst.
Wo stehen wir aktuell mit personalisierter Ernährung für Frauengesundheit?
Dr. Wallerstorfer: Wir bieten personalisierte Ernährung bereits seit 2009 an. Was wir gelernt haben: Es gibt keine eine Ernährung für Frauen. Jeder Mensch hat ein einzigartiges genetisches und biochemisches Profil und nur wer dieses berücksichtigt, bekommt wirklich wirksame Empfehlungen.
Was raten Sie Frauen in den Wechseljahren konkret?
Dr. Wallerstorfer:
- Eine Genanalyse zur Bestimmung individueller Nährstoffbedarfe
- Gezielte Mikronährstoffversorgung (v.a. Vitamin D, B-Vitamine, Omega-3)
- Pflanzenstoffe wie Soja-Isoflavone oder Traubensilberkerze
- Krafttraining und eiweißreiche Ernährung zur Muskelmasse-Erhaltung
- Fokus auf Darmgesundheit – ein unterschätzter Schlüssel in den Wechseljahren
In 5–10 Jahren wird Nutrigenetik Teil der Routineuntersuchungen in Frauenarztpraxen und in Gesundheitsbegleiter integriert sein. Es ist die Zukunft und kann für Frauen viele Vorteile bringen. Weniger Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen, besserer Schlaf, stabilere Energie, gesündere Haut, Schleimhäute und ein verbesserter Stoffwechsel.
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