Sich vegan, also vollständig ohne tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte oder auch Honig zu ernähren, wird immer beliebter. Doch kann eine vegane Ernährung in dieser für den Körper doch herausfordernde Lebensphase eine gute Wahl sein? Welche Nährstoffe sind besonders wichtig, um sich fit und wohlzufühlen? Und: Lassen sich typische Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafprobleme durch die richtige Ernährung positiv beeinflussen?
Der renommierte Ernährungsexperte Markus Kolm, Mitautor des Buches Der Vegan-Doc für alle Fälle (Kneipp Verlag) gibt wertvolle Tipps, wie eine pflanzenbasierte Ernährung in den Wechseljahren nicht nur möglich, sondern auch besonders gesund sein kann.
Ist vegane Ernährung gleichbedeutend mit Verzicht?
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Dr. Kolm: Nein, ganz im Gegenteil! Eine vegane Ernährung bedeutet nicht Verzicht, sondern ein bewusstes Integrieren vollwertiger pflanzlicher Lebensmittel in den Speiseplan. Ernährung ist stark soziokulturell geprägt – in Österreich basiert die traditionelle Kost meist auf einer Mischkost mit einem hohen Anteil tierischer Produkte. Eine Umstellung auf eine vegane Ernährung bedeutet daher zunächst, den Fokus auf Lebensmittel zu lenken, die hierzulande oft wenig Beachtung finden, wie Hülsenfrüchte und deren Produkte – etwa Tofu, Tempeh, Süßlupinengerichte und vieles mehr. Wer sich langsam an diese neue Vielfalt herantastet, wird schnell merken, dass eine pflanzliche Ernährung nicht nur machbar, sondern auch genussvoll und gesund sein kann.
Welche Herausforderungen bringt eine vegane Ernährung in den Wechseljahren?
Dr. Kolm: Eine vegane Ernährung in den Wechseljahren kann viele gesundheitliche Vorteile bieten, erfordert aber eine bewusste Planung, um den veränderten Nährstoffbedarf optimal zu decken. Besonders wichtig ist die Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen wie
- Kalzium,
- Vitamin D,
- B12,
- Eisen,
- Zink und
- Omega-3-Fettsäuren,
da Frauen nach der Menopause ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Kalziumreiche pflanzliche Lebensmittel wie angereicherte Pflanzendrinks, mit Calciumsulfat produzierter Tofu, grünes Blattgemüse und Nüsse sowie eine gesicherte Vitamin-D-Versorgung spielen hier eine zentrale Rolle. Auch Omega-3-Fettsäuren aus Mikroalgen-Öl können zur Versorgung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren beitragen.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Proteinqualität. Durch den Östrogenrückgang und dem damit verbundenem Osteoporoserisiko steigt der Proteinbedarf, um die Knochengesundheit positiv zu beeinflussen. Pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Tofu, Tempeh, Quinoa oder Nüsse sollten daher gezielt in die Ernährung integriert werden, um eine optimale Versorgung mit Aminosäuren sicherzustellen.
Auch die Zufuhr von Fettsäuren spielt eine entscheidende Rolle für die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Es macht Sinn, Fettquellen mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren – wie rotes Fleisch, Wurst- und Schinkenwaren, Butter sowie Kokos- und Palmfett – zugunsten von Fettquellen mit einem hohen Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren auszutauschen. Pflanzliche Öle wie Olivenöl, Rapsöl, Leinöl, Walnussöl sowie hochwertige Margarinen auf Basis dieser Öle tragen dazu bei, das Lipidprofil positiv zu beeinflussen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken.
Viele haben bei Hülsenfrüchten Angst vor Blähungen
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Dr. Kolm: Es gibt einige Strategien, um Blähungen durch Hülsenfrüchte zu reduzieren. Ein wichtiger Punkt ist die langsame Gewöhnung – der Darm passt sich an die enthaltenen Ballaststoffe an, daher sollte man mit kleinen Mengen starten und diese schrittweise steigern. Auch das gründliche Spülen von Konservenbohnen oder Kichererbsen hilft, da es schwer verdauliche Oligosaccharide entfernt.
Bei getrockneten Hülsenfrüchten ist die richtige Zubereitung entscheidend: Sie sollten über Nacht eingeweicht und das Einweichwasser weggeschüttet werden. Zudem können verdauungsfördernde Gewürze wie Kümmel, Fenchel oder Anis helfen. Wer empfindlich reagiert, kann auch auf pürierte oder geschälte Varianten zurückgreifen.
Kann vegane Ernährung die typischen Beschwerden der Wechseljahre beeinflussen?
Dr. Kolm: Ja, es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass eine pflanzliche Ernährung typische Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen, nächtliche Schweißausbrüche und Stimmungsschwankungen positiv beeinflussen kann.
Eine zentrale Rolle spielt dabei Soja, das reich an Isoflavonen ist – pflanzlichen Verbindungen mit östrogenähnlicher Wirkung. Die Women's Study for the Alleviation of Vasomotor Symptoms (WAVS) zeigte, dass eine vegane Ernährung mit ganzen Sojabohnen die Häufigkeit und Intensität von Hitzewallungen deutlich reduzieren kann. In einer randomisierten kontrollierten Studie führte dies zu einer 88%igen Verringerung mittelschwerer bis schwerer Hitzewallungen in der Interventionsgruppe, verglichen mit 34% in der Kontrollgruppe. Auch eine Querschnittsstudie ergab, dass Veganerinnen weniger über belastende vasomotorische Symptome wie Hitzewallungen berichteten.
Zusätzlich deuten Studien darauf hin, dass eine pflanzliche Ernährung die Stimmung in den Wechseljahren verbessern kann. In der WAVS-Studie wurden auch psychosoziale Symptome wie Stimmungsschwankungen in der Interventionsgruppe positiv beeinflusst.
Oft wird vor Kalziummangel bei veganer Ernährung gewarnt – wie kann man die Knochengesundheit unterstützen?
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Dr. Kolm: Zur Unterstützung der Knochengesundheit ist es wichtig, bereits in jungen Jahren auf den Aufbau einer maximalen Knochendichte, auch Peakbone Mass genannt, zu achten. Diese wird etwa mit 30 Jahren erreicht, und ab diesem Punkt können wir den natürlichen Abbau der Knochenmasse nur verlangsamen. Ein entscheidender Faktor hierfür ist eine ausreichende Zufuhr von Kalzium. Mindestens 750 Milligramm, besser jedoch 1 Gramm pro Tag, sind zu empfehlen, um die Knochengesundheit langfristig zu erhalten.
Ein weiterer wichtiger Nährstoff ist Vitamin D, das für die Kalziumaufnahme und -verwertung entscheidend ist. Bei fehlender körpereigener Synthese, besonders in den Wintermonaten, sollte Vitamin D durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.
Die Proteinaufnahme spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle. Ab der Menopause ist es ratsam, die Zufuhr auf 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht zu erhöhen, um den Knochenabbau zu bremsen und die Knochengesundheit zu unterstützen.
Körperliche Aktivität ist ebenfalls unverzichtbar. Besonders kräftigende Übungen, wie sie im Krafttraining vorkommen, haben einen positiven Einfluss auf die Mikroarchitektur des Knochens und stärken die Knochensubstanz. Regelmäßige muskuläre Kräftigungsübungen tragen somit direkt zur Stabilität der Knochen bei.
Zu guter Letzt sollte Untergewicht vermieden werden, da es ein Risikofaktor für osteoporotische Frakturen darstellt. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität sind also essentielle Bestandteile für die Prävention von Osteoporose und für eine langfristige Knochengesundheit.
Welche pflanzlichen Eisen- und Proteinquellen empfehlen Sie?
Dr. Kolm: Gute pflanzliche Eisenquellen sind Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Vollkorngetreide, Nüsse, Samen und dunkelgrünes Blattgemüse. Da pflanzliches Eisen in Form von Nicht-Häm-Eisen vorliegt, kann die Aufnahme durch Vitamin-C-reiche Lebensmittel wie Paprika oder Zitrusfrüchte verbessert werden. Resorptionshemmend wirken dagegen Tannine aus Tee oder Kaffee sowie Phytate aus Vollkornprodukten – diese lassen sich durch Einweichen oder Fermentieren reduzieren.
Hochwertige pflanzliche Proteinquellen sind Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Seitan, Vollkorngetreide, Nüsse und Samen. Besonders Soja liefert alle essenziellen Aminosäuren. Durch die Kombination verschiedener Proteinquellen, etwa Hülsenfrüchte mit Getreide, lässt sich eine optimale Versorgung sicherstellen. Eine gut geplante pflanzliche Ernährung kann also sowohl den Eisen- als auch den Proteinbedarf decken.
Thema Gewichtszunahme in den Wechseljahren – kann vegane Ernährung gegensteuern?
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Dr. Kolm: Ja, insbesondere wenn sie vollwertig und ausgewogen gestaltet ist. Ein wesentlicher Vorteil einer vollwertigen veganen Ernährung ist die geringere Kaloriendichte im Vergleich zur üblichen Mischkost. Dies liegt zum einen daran, dass der Gesamtfettanteil bei einer veganen Ernährung meist niedriger ist, zum anderen enthält sie einen hohen Anteil an Ballaststoffen.
Ballaststoffe wirken sich nicht nur positiv auf die Sättigung aus, sondern tragen auch dazu bei, die Kaloriendichte der Lebensmittel zu reduzieren. Dies bedeutet, dass man größere Portionen essen kann, ohne zu viele Kalorien aufzunehmen, was das Gewichtsmanagement begünstigt.
In meinen Büchern gehe ich ausführlich auf diese positiven Effekte einer vollwertigen veganen Ernährung ein und erkläre, wie die Ernährung durch den hohen Ballaststoffanteil und die reduzierte Kaloriendichte dabei hilft, Sättigungssignale besser zu regulieren und die Gewichtskontrolle zu unterstützen. Insgesamt kann eine vollwertige vegane Ernährung also ein effektives Mittel sein, um das Gewicht während der Wechseljahre zu halten oder zu reduzieren wie mehrere Studien aufzeigen:
In einer Übersichtsarbeit von Silva et al. wurde hervorgehoben, dass eine fettarme, pflanzliche Ernährung bei Frauen nach der Menopause positive Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung hat, obwohl weitere Studien erforderlich sind, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Darüber hinaus wurde in der Women's Study for the Alleviation of Vasomotor Symptoms (WAVS) festgestellt, dass eine fettarme, vegane Ernährung mit Sojabohnen nicht nur Wechseljahrsbeschwerden reduziert, sondern auch zur Gewichtsabnahme beiträgt.
Die kurzfristige Einhaltung einer veganen Ernährung führt nachweislich zu einer signifikanten Verringerung von Gewicht, Body-Mass-Index (BMI) und anderen Stoffwechselparametern, wie eine Studie von Sisay et al. ergab, dass selbst eine kurzfristige vegane Ernährung zu einer signifikanten Gewichtsabnahme und einer Verbesserung der Stoffwechseleigenschaften führte, wobei die Veränderungen bei Frauen günstiger ausfielen als bei Männern.
Darüber hinaus wurde eine mediterrane Ernährung, die hinsichtlich des hohen Verzehrs von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten Ähnlichkeiten mit der veganen Ernährung aufweist, mit einem geringeren Risiko einer Gewichtszunahme und besseren kardiometabolischen Profilen bei postmenopausalen Frauen in Verbindung gebracht.
Welche einfachen veganen Gerichte eignen sich für Frauen in den Wechseljahren?
Dr. Kolm: Einfache vegane Gerichte für Frauen im Wechsel sollten vor allem vollwertig, abwechslungsreich und kaloriendeckend sein. Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, um den Körper mit allen notwendigen Nährstoffen zu versorgen. Besonders proteinreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte (z. B. Linsen, Bohnen, Kichererbsen) sind empfehlenswert, da sie nicht nur Eiweiß liefern, sondern auch Isoflavone, pflanzliche Stoffe, die helfen können, typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen zu lindern.
Zusätzlich sollten Vitamin K-reiche Gemüsesorten wie Brokkoli und Feldsalat in den Speiseplan integriert werden. Diese unterstützen die Knochen und sind besonders wertvoll während der Wechseljahre, wenn der Kalziumhaushalt oft eine größere Rolle spielt. Auch kalziumreiche vegane Nahrungsmittel wie Tofu (besonders der mit Calciumsulfat hergestellte Tofu), kalziumreiches Mineralwasser, Sojadrinks, die mit Kalzium angereichert sind, sowie Nüsse und Samen sind sehr zu empfehlen, um die Knochengesundheit zu unterstützen.
Ein einfaches Gericht, das all diese Elemente vereint, könnte eine Linsensuppe oder ein Eintopf mit Hülsenfrüchten und reichlich Gemüse wie Brokkoli und Feldsalat sein. Auch ein Tofu- und Gemüsecurry oder eine Quinoa-Bowl mit Nüssen, Samen und kalziumreichen Zutaten wäre eine gute Wahl. Diese Gerichte liefern nicht nur wichtige Nährstoffe, sondern sind auch leicht zuzubereiten und sättigend.
Insgesamt sollten Frauen in den Wechseljahren darauf achten, sich abwechslungsreich zu ernähren und auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen, Kalzium, Vitamin K und Isoflavonen zu achten, um die körperlichen Veränderungen optimal zu unterstützen.
Wie gelingt vegane Ernährung im Alltag?
Eine vegane Ernährung lässt sich auch in einem stressigen Alltag gut umsetzen, wenn man ein paar einfache Strategien beachtet. Hier sind einige Tipps, wie man sich trotz Zeitmangel ausgewogen und pflanzlich ernähren kann:
- Vorkochen und Meal Prep: Einmal pro Woche Zeit für die Zubereitung von Mahlzeiten einplanen, um für die kommenden Tage vorbereitet zu sein. Man kann größere Mengen an Gerichten wie Eintöpfen, Currys, Quinoa-Bowls oder Linsensalaten kochen und portionsweise aufbewahren. Diese Gerichte lassen sich schnell aufwärmen und sind oft noch schmackhafter, wenn sie etwas durchgezogen sind.
- Einfach und schnell kochen: Gerichte, die schnell und ohne viel Aufwand zubereitet werden können, sind ideal. Beispiele sind Salate, Smoothies, Overnight Oats oder Wraps mit frischem Gemüse und Hülsenfrüchten. Auch Hummus und Guacamole sind schnelle Dips, die mit etwas Vollkornbrot oder Gemüse schnell eine nahrhafte Mahlzeit ergeben.
- Gesunde Snacks bereithalten: Für den kleinen Hunger zwischendurch sind gesunde, vegane Snacks wie Nüsse, Obst, Müsliriegel, Reiswaffeln oder Edamame ideal. Sie lassen sich einfach mitnehmen und verhindern, dass man zu ungesunden Optionen greift, wenn der Appetit kommt.
- Einfache Rezepte wählen: Auf Rezepte zurückgreifen, die nur wenige Zutaten benötigen und nicht viel Kochzeit erfordern. Ein einfaches Beispiel ist ein Vollkornpasta-Gericht mit Tomaten und Bohnen oder Vollkornreis mit Gemüse und Tofu. Diese Gerichte sind nahrhaft, schnell und benötigen keine komplexe Zubereitung.
- Fertiggerichte und Convenience-Produkte: Es gibt inzwischen viele vegane Fertigprodukte, die gesund und nährstoffreich sind. Hier muss aber unbedingt auf die Zutatenliste geachtet werden, um ernährungsphysiologisch wertvollen Fertigprodukten von unvorteilhaften zu unterscheiden.
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