Wer sich liebt oder trennt, tut das auch online kund. Selbst reifere Semester buhlen und balzen in den sozialen Medien um Aufmerksamkeit, so meine Beobachtung.
Manche mögen es heiß: In Janinas Lebiszczaks wechselweiser Welt dreht sich alles um Selbstverwirklichung, Selbstwert und die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Sex, Katzen sowie die stetige Erweiterung des eigenen Horizonts und Humors. Foto: Markus Morianz
In den Wechseljahren wechselt man gerne mal den Partner. Oder man wechselt in ein Leben ohne Partner, ganz gleich. Und nimmt die berühmte zweite Chance der zweiten Lebenshälfte in Anspruch.
Wenn ich so durch Instagram und Facebook scrolle, fällt eines auf: In meiner Bubble trennen sich derzeit viele Paare. An und für sich traurig, tragisch, traumatisierend – nur: die Beweggründe passen, also in den meisten Fällen. Sie wollen noch mal lieben. So richtig. Und sollte sich Amor doch anders entscheiden, dann sind sie in ihrem Freundeskreis sicher aufgehoben und werden auch solo ein erfülltes, abwechslungsreiches Leben führen.
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Ich hatte die große Scheidungswelle einst zwar fälschlicherweise für den Zeitraum um meinen 35. Geburtstag herum prognostiziert, aber jetzt – über zehn Jahre später – ist es so weit. Wohnungen werden aufgelöst, erwachsene Kinder informiert – was man eben so tut, wenn man getrennt, aber hoffentlich irgendwie gemeinsam durch diese schwierige Zeit marschiert.
Dauerfeuer an sexy Postings
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So viel zur echten Welt. In den sozialen Medien allerdings stellt sich eine aufkeimende Krise anders dar. Meinen Beobachtungen zufolge gibt es da zwei Strategien. Erstens: Schaut mal, wie geil ich bin. Ein Dauerfeuer an neckischen Bildern, sexy Filmchen und zweideutigen Texten, ja auch Ü40, vielleicht sogar da besonders. Postet ein Mensch, der vorher in den sozialen Medien vielleicht mal sporadisch nach einem Heilmasseur oder dem besten Bio-Gemüse suchte, plötzlich seine ganze Pracht, dann ist Feuer am Dach – aber noch nichts zu spät. Wahrscheinlich geht es darum den Noch-Partner eifersüchtig zu machen, während zeitgleich nach der Aufmerksamkeit neuer Seelentröster gefischt wird.
Peinlich? Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein. Wenn ich heute Lust darauf hab?, durch ein fesches Selfie jede Menge Likes zu sammeln, mache ich das einfach – allerdings muss ich mich dazu nicht trennen. Meistens gefällt das Foto dann zwar eher Frauen, aber was soll?s. Fame ist Fame.
Die Powercouple-Lüge
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Nun zu Strategie Nummer Zwei – und die bringt mich verlässlich zum Würgen. Wenn mit gesteigertem Eifer Couple-Goals-Postings deine Timeline fluten, dann stimmt etwas nicht. Hasimandi da, Bussibärli dort, kein Text ohne Partnerbezug – das finde ich schon ohne Krisenbackground schauerlich. Aber auch da: Been there – done that. Was habe ich mich früher feiern lassen als Teil eines zeigefreudigen Powerpärchens. #superhappy. War es Unsicherheit, war es Selbstverliebtheit – keine Ahnung.
Heute darf jeder gerne meine politische Meinung wissen oder 3652 Katzenfotos liken, aber mein Liebesleben inszeniere ich sicher nie wieder im großen Stil. Weil meine Gefühle mir gehören. Und weil öffentliche Dauer-Liebesschwüre auf Facebook, Instagram und Co. bei halbwegs reflektierten Menschen nicht unbedingt auf Begeisterung stoßen.
Neid-Reflex und Selbstinszenierung
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In mir löst so etwas im ersten Reflex oft Neid aus. Aber Neid, das ist kein Gefühl, das man sofort verteufeln sollte. Er wird bevorzugt dann ausgelöst, wenn Menschen sich in wichtigen Selbstkonzeptdimensionen mit anderen vergleichen. Und setzt man sich mit diesen oft unangenehmen Gefühlen auseinander, passiert eine heilsame Erfahrung. Wir sehen Bilder von Liebe, und sehnen uns danach, auch zu lieben. Daran ist nichts faul.
Allein, die Wirklichkeit abseits der sozialen Medien ist für uns nicht greifbar. Wir können nur erahnen, wie sich der Alltag des angeblich ach so glücklichen Paares tatsächlich gestaltet. Wie sehr der Selbstwert über Jahre in den Keller rasselte, welche Verletzungen passierten und passieren. Kaum jemand postet ein Foto von einem Streit. Weil man in der Falle sitzt: Man hat sich als Teil von etwas Großem inszeniert – doch was bleibt, wenn der andere Teil gehen möchte?
Was den Konsum von sozialen Medien betrifft, kommt der abschließende Tipp demnach von Friedrich Nietzsche. Der sagte: Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. Und wer will das schon ...
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